Bulgarien - Ab durch die Mitte!
Ein Durchfahrtsland für uns - fast. Vom äußersten Nordosten des Landes am Schwarzen Meer in den Südwesten.
Am Touristen-Aussichtsfelsen über dem Meer „Kap Kaliakra“ weht es so stark, dass wir beinahe selbst Schwung nehmen… Wehrbauten aus dem 4. Jahrhundert vor Christus liegen hier.
Straßenschilder und Produkte zeigen in Bulgarien kyrillische Buchstaben. Aber ich war ja bereits fleißig am Üben. Wir haben echt Spaß mit der Übersetzung. Ein umgedrehtes N wird I ausgesprochen, auch mit anderen Buchstaben tüfteln wir, die uns bekannte Schreibweise anders zu übersetzen. Manchmal versuchen wir es aber lieber gar nicht erst, ist dann doch viel zu kyrillisch.
Das Wetter ist so lala. Grau. Und bleibt so.
Neben dem angelegten Sandstrand der drittgrößten Stadt Bulgariens, Varna, nisten wir uns einige Tage auf dem Parkplatz ein. Topmoderne Restaurants der teuren Klasse und Fitnessgeräte auf Sand sind unsere Nachbarn. Natürlich haben wir im Spätherbst so gar kein Strandwetter.
Einen Morgen nach stürmischer Nacht finden wir den Strand voll angeschwemmten Müll vor. Interessant für unseren kleinen Entdecker!
Unsere große Frage ist nun: Wohin fahren wir weiter?
Türkei oder Griechenland?
Kennen wir beides noch nicht.
In Sofia, Bulgariens Hauptstadt, kann Noah einen deutschsprachigen Kindergarten besuchen. Das haben wir per
Emailkontakt geklärt. In Istanbul gibt es auch deutsche Kindergärten, aber von denen gab`s bisher keine eindeutige Antwort. Also wählen wir Sofia, und von dort aus bietet sich der Weiterweg nach Griechenland an.
Hier in Varna gibt es ein Cafe mit Kinderspielraum. Natürlich verbringen wir den ganzen Tag da! Noah hört am
Nebentisch die jungen Leute reden. „Das sind ja Deutsche! Hallo!“ Unser vierjähriger Kontaktknüpfer erzählt munter drauf los. Und wir erfahren, dass man in Bulgarien easy ins Medizinstudium kommt, auch mit schlechterem NC.
In der Nähe wollen wir das größte bulgarische Gestüt anschauen. Keine Saison gerade. Alles ist leer, wir sehen nur eine bewachte Jungpferdekoppel. Der Wächter kann uns wegen Sprachhindernissen keine Auskunft geben. Aber er ruft netterweise zum Übersetzen seine Frau an. Während des Telefonats zeigt er auf die Pferde „Horses!“. Aha. Hätte ich ihm gleich unser OhneWörterbuch zeigen können, wo es ein Bild mit Pferden gibt.
In einem Rutsch fahren wir nach Sofia.
Bulgarien ist bekannt für Rosenzucht, ein Großteil der ätherischen Rosenöle kommt aus Bulgarien. Nachts fahren wir die Hauptroute nach Sofia nahe der Rosentäler entlang. Jetzt im Herbst ist die Erntezeit eh vorbei, aber das wär sicher was für die Sinne, dort im Sommer zu sein!
Der deutschsprachige Kindergarten, der Noah aufnehmen würde, findet sich in einem noblen Stadtrandbezirk. Der Probetag gefällt uns. Am nächsten Tag kann`s richtig losgehen.
Die Mitarbeiter der Kindertagesstätte sind super bemüht und informieren uns bestens über alles. Die Kinder essen viermal gemeinsam, gehen raus, singen, tanzen und vieles mehr. Es wird Sankt Martin gebastelt. Eltern und Kinder basteln am Nachmittag Drachenlaternen. Die Kinder sind bulgarischer Herkunft, sprechen deutsch oder sollen die Sprache hier lernen. Ganz wohl fühlt Noah sich nicht. Vielleicht weil er zu lange da bleibt, vielleicht weil die Kinder zu viel bulgarisch sprechen oder ihm das Programm zu ungewohnt ist als sein bisher freies Spiel? Er vermisst uns und möchte nicht länger als ein paar Tage hingehen.
Am Wochenende bleiben wir am Waldbach des Vitoshagebirges. Wunderschöne herbstliche Buchen umgeben uns. Es ist das Naherholungsgebiet der Stadt. Frühmorgens klingen handgeschlagene Glocken vom urigen Kloster mitten im Wald.
Einmal in die City muss dann doch sein.
Essen und Ambiente der Ökobäckerei „Sun & Moon“ im Herzen der Stadt sind mal wieder richtig schnuckelig!
Auf den Straßen hingegen wühlen die Menschen in Müllcontainern. Das scheint hier normales Bild zu sein. Das Durch- schnittseinkommen eines Bulgaren liegt bei 300 Euro. Bei den Preisen (etwas günstiger als in D) und relativ vielen Markenautos fragen wir uns, wie man sich hier Produkte leisten kann.
Aber fürs Verstehen sind wir zu kurz in dem Land.
Die Stadtteile der Reichen - ab welchem Einkommen das hier definiert wird wär interessant - sind voll Security und Kameras. Für uns eine unangenehme Atmosphäre. Wir lieben das menschliche Miteinander, die Offenheit und Herzlichkeit der „armen“ Menschen. Bei den Reichen ist die Gegend „kalt“, isoliert und lässt ausstrahlen, dass sie sich schützen müssen. Arm oder reich, alles sind nur Menschen ;-) Die reichen Supermärkte sind uns vertraut mit ihrer Importware. In anderen Supermärkten wissen wir manchmal nicht so ganz, was wir genau kaufen. In den Vororten sind große Schrottplätze mit unzähligen Autoteilen sauber aufgereiht, eine spannende Angelegenheit das passende Teil zu finden. Aber man wird sicher fündig, alleine dadurch, dass man mit Improvisationstalent viel erreichen kann. Und dass die Menschen das Talent hier auch haben werden, wissen von unserem Busbasteleierlebnis in Rumänien.
Wir merken, wir sind aus reichen Ländern dieser Welt und gelten wegen dieser Tatsache als einfach reich. Deutschland ist Deutschland. Völlig schnuppe, ob man in Deutschland materiell arm ist. Deutschland`s Bürger erhalten Gelder, Unterstützung und Versicherungen, gelten daher automatisch als gut situiert.
Jaja, wenn man im Ausland unterwegs ist, fällt ein anderer Blick auf das „Deutsch sein“.
Wir schätzen mehr, was wir in der Heimat haben und im Ausland nicht finden! Oder eben andersrum: Da schätzen wir das, was wir im Ausland finden und uns in der Heimat mangelt.
Auch kommen in der Ferne Eigenarten der Deutschen mehr zum Vorschein, oder man bekommt sie von anderen Völkern zu hören, sehr spannend!
Schade, Bulgarien nicht mit mehr Zeit näher kennen zu lernen. Aber wir wollen in den Süden!
Der Winter naht.
„Jesus im Raumschiff“ in der Kapelle eines kleinen Bergdorfes klingt spannend. Tolle Fresken sind das - Bilder, die man als Raumschiff deuten kann, aber ob das so gemeint war!?
Ufologen sind sich sicher.
Lustig und nett sind unsere Erfahrungen mit den Polizisten dieses Landes. Zweimal kommen sie an verschiedenen Stellplätzen zum Bus und klopfen zaghaft an. Im Denken, dass wir hier fehl am Platze sind, kommt einmal Simon in langen Unterhosen raus und das zweite Mal ich mit Kind (Polizist ist etwas verwirrt, als er keinen Mann dazu entdeckt, Simon schläft). Beide Male fragen sie freundlich „Everything ok?“. Mehr nicht.
Von „Jesus im Raumschiff“ fahren wir durch Wälder und über Berge in den Süden, über die Grenze nach Griechenland, direkt ans Meer!
Wir haben uns alle daran gewöhnt, im kleinen Fidibus zu leben.
Unser Reise-Tagesrhythmus ist gefunden. Und unsere Reise-Ruhe.
Dass wir die Welt gemeinsam entdecken, ist traumhaft!
Powerarbeitsjahre liegen hinter uns, vor uns noch anderthalb Jahre bis zur Schulpflicht.
Die Zeit möchten wir nutzen. Für uns. Neues entdecken. Interessen nachgehen.
Eigentlich klappt alles gut. Aber unser Unternehmen funktioniert nicht so wie geplant. Das Finanzielle sorgt uns.
Die Grübelei nimmt zu. Simon bekommt zu wenig Konstruktionsaufträge.
Lieber lösen wir uns von alten Zielen, lassen los. Folgen neuen Ideen.
Unser Ziel wird die Reise selbst.
Die Schönheit des Augenblicks.
Wie ich lernte, Stellplätzen in der Wildnis zu vertrauen, so öffnen wir uns durch die Reise.
Das Passende kommt schon.
Immer wieder kommunizieren wir mit anderen über unser Vorhaben und den Reiseverlauf.
Wohltuend sind die Menschen, die mit Optimismus unterstützen, die an einen glauben und verstehen wollen, und gleichzeitig mit ihrer eigenen Meinung inspirierend sind. Darin hat meine Schwester besonderes Talent. Alle, die sie um sich haben, sind gesegnet mit ihrer Art - zum Glück hat sie täglich jede Menge Kinder um sich!
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