Familien Reise Abenteuer


Indien 2022/23

Sonntag, 28. Mai 2023 - aus Pokhara, Nepal

 

Viel Zeit vergangen! Trotzdem noch primär ein Bildereindruck über Varanasi, die heilige Stadt der Hindus am Fluss Ganges.

Varanasi war unsere letzte Station im Norden Indiens vor Nepal und so heiß. So heiß. So so heiß.

Wir blieben deswegen nur einen Tag.

 

Mit ihren schmalen Gassen, kleinen Hindu-schreine, dem urindischem Flair, dieser Hindu-heilige Ort, den Pilgern, den Leckereien, dem Gangesufer mit seinen Ghats lieben wir diese besondere Stadt.

 

Simon und ich wandern auf alten Wegen von 2002, finden unsere Herberge und Simons alte Musikschule.

 

Varanasi ist dafür bekannt, seine Toten aufzunehmen in den heiligen Fluss Ganges. Hindus kommen von überall her, bestatten ihre Familienmitglieder. "Die Ganga" soll im hinduistischen Glauben den Kreislauf von Tod und Wiedergeburt brechen. Wir werden am Verbrennungsplatz von einem jungen Hindu erklärend durchgeführt, der mit dieser Gabe an Touristen sein Karma verbessern will. Uns wird erklärt, dass diejenigen, die an Steinen in den Fluss gelassen werden, reine Seelen haben, also kein Feuer nötig haben: Das gilt für unter anderem für Schwangere, Kinder bis 10, Sadhus, von Kobra Gebissene. Wir sehen den enormen Holzberg, daneben die Scheiterhaufen, und die noch nicht brennenden, zugedeckten Verstorbenen direkt unter uns. Eine Verbrennung braucht ca. 200 kg Holz. Für uns eine andere Begegnung mit dem Tod. Normal. Hier. Die Verstorbenen werden nach Kaste oben und unten der Anlage verbrannt. Nebenan ist ein Sterbehaus für Arme. Wir sind beeindruckt von der Atmosphäre, sie hat was nicht von dieser Welt, was heiliges, was kribbelndes, gleichzeitig was selbstverständliches. Überall auf der Welt gibt es andere Traditionen, andere Umgänge, andere Arten – und doch ist es nicht fremd. Es ist halt so. Wir haben unseren geliebten Blue auch verbrannt. Wir kennen es. Auch wenn wir Glauben nicht teilen, es gibt trotz Unterschieden doch viel gemeinsam. In Varanasi ist der Tod normaler Teil des Stadtbildes.

 

Rituale sind überall wichtig. Varanasi ist ein Ritualort. Abends schieben wir uns durch enorme Menschenmassen, die am Gangesufer einer musikalischen Zeremonie beiwohnen. Was für eine Atmosphäre. Und darauf kommt es an. Varanasi ist ein Ort mit Atmosphäre!

 

Das immense Treiben der Pilger am Gangesufer zu beobachten war einfach wie Filmgucken. Aber im April jetzt war es leider zu heiß und voll, um es länger in der Stadt auszuhalten.

 

Tolle Kunst in der Stadt...

An den Verbrennungsplätzen...

Sonntag, 23. April 2023 - aus Kathmandu, Nepal

 

Noch über Südindien...

Heute ist Tempelfest nebenan.

Eine große Puja-Zeremonie, bunte Dekoration, Frauen tragen ihre besten Saris und ihre Haare sind mit Blumenketten geschmückt. Räucherduft liegt in der Luft. Der 90jährige Priester steht mit voll beladenen Opferschalen in den Händen aus dem Schneidersitz auf und klingt mit anderen zum Mantra an.

Inmitten der Feiernden sitzend, werde ich auf die Schulter getickt.

“There`s a phonecall for you!”

Ruhig stehe ich auf, um die Zeremonie nicht zu stören.

„Who is it?“, frage ich.

„A woman from Italy… There was an accident.”

Während ich zum Telefon im Nachbarhaus laufe, hämmert die ganze Zeit „Accident“ in meinem Kopf.

Meine Füße tragen mich, das Laufen lässt nicht viele Gedanken zu.

Warum ruft mich eine Frau aus Italien an? Mein Herz klopft.

Der Telefonhörer liegt auf dem Schreibtisch.

„Hello?“

Die Frau stellt sich als seine Mutter vor.

„Er hatte einen Motorradunfall. “

In dunkler Regennacht stand ein unbeleuchteter Lastwagen quer auf der Straße.

Mit 80 Km/h knallte er ungebremst aus freier Fahrt hinein.

 

Das war 2002.

Hier der Link zur damaligen Story. Oder wie alles begann.

 

Jetzt, im März 2023, laufe ich genau diesen Weg wieder entlang, auf dem ich damals zum Telefon lief.

 

Damals hatten sich unsere Pläne in Luft aufgelöst.

Plan war, Simon holt mich mit dem Motorrad in Indien ab und wir fahren über Nepal, Tibet, China, Mongolei, Russland zurück nach Europa.

Vor meiner Arbeit in Südindien hatten wir uns in Indien kennengelernt, sind eine Weile gemeinsam in Indien und Nepal gereist, er ist zurück nach Italien arbeiten und die Motorradreise vorbereiten. Die war dann pfutschi.

 

Unsere Lust, Indien Überland mit Europa zu verbinden, blieb über all die Jahre. Simon hatte sich „nur“ mehrmals das Bein und den Fuß gebrochen, ich flog damals zu ihm nach Italien. Bei dem Motorradunfall landete er auf dem Rücken, wo er den Rucksack mit federndem Rücksitz für sein Motorrad drin hatte, den er für mich anbringen wollte. Die Tour sollte also nicht sein.

 

Vor Finns Geburt versuchten wir 2013 Overland nach Indien zu gelangen, da wir aber kurzfristig vor der Geburt losfuhren und in der Mongolei bürokratisch mit China spontan nicht weiterkamen, ließen wir unseren Fidibus in der Mongolei und flogen nach Indien zur Geburt.

 

Jetzt zu Beginn 2023, nach Goa, nachdem Finni seinen Geburtsort gesehen hatte, nachdem wir uns im Haus und durch die Ruhe vom Verlust unseres geliebten Blue’s erholt hatten, zielten wir auf unsere „alten“ Orte.

 

Andere Ziele in Südindien strichen wir wegen der Hitze. Alles musste nicht sein, keine touristischen Highlights abklappern wie „ich war am südlichsten Punkt Indiens“ – das ist uns egal, wir zielten auf die uns wichtigen Orte und wenn dort, dann ausgiebiger.

 

Nach Hampi also meine damalige Freiwilligen-Arbeitsstelle im Camphill bei der Stadt Bangalore. Eine Gemeinschaft, in der Menschen mit Handicaps begleitet werden. Nach 21 Jahren! Was für eine Freude, sie wiederzusehen, einen Minimoment wieder Teil zu sein. Wir werden herzlich empfangen, erzählen von unseren Reisen, aus unserem Leben. Ich staune, dass in den zwei Jahrzehnten der Garten so in die Höhe schoss und alles dschungelartig wurde, damals war der Garten noch karg und in den Startlöchern. Ich staune, wie wir auch nach 21 Jahren immer noch dieselben sind wie damals und doch anders, gealtert, reifer. Wer Lust hat Indiens Kultur mit Freiwilligenarbeit (auch als Familie) zu verbinden, ist herzlich willkommen mitzuwirken. Kinder sind auch da. Die nahe City nutzen wir für schnelle Rikshatouren, um in Kaufhäuser zu gelangen, die es sonst in Indien nicht gibt. Shopping Mall muss eben auch mal sein, nach langer Zeit! Es gibt englische Bücher und eine neue, vernünftige Bratpfanne.

Als wir aus Goa wegfuhren merkten wir übrigens schnell, dass sich das Fahren komisch anfühlte. Eine Blattfeder war gerissen! Die unmarkierten Speedbreaker, Huckel sind nicht ohne, hauen uns immer eins rüber. Aber schnell war die passende Werkstatt gefunden und sofort legten sie los mit der Arbeit.

Ab Goa wurde Indien übrigens richtig gut.

 

Wir hatten wieder die altgewohnte Magie, die wir aus Indien kannten. Die lässt sich im Internet nicht beschreiben. Die wird weitergegeben am Lagerfeuer oder in direktem Kontakt. Wir waren wieder in unserem gewohnten Indien, durch die innere Ruhe im äußeren Gewusel, durch das Annehmen dieser anderen Welt und unser Ticken mittendrin kamen wieder diese besonderen, komischen „zufälligen“ Momente.

 

Auf dem Weg von Bangalore noch weiter südlich in die Stadt Pondicherry am ostindischen Meer wurde es nicht nur heißer, sondern es brach auch die andere Blattfeder-Seite! Wieder verursacht durch die unmarkierten Huckel, über die wir aus Versehen drüberbrettern.

Unterwegs, Richtung Ziel, muss man mit dem Unerwarteten stets einen Weg finden. Gilt für alles! Auch hier im Schwitzehitze-Südindien auf Strecke im Unbekannten. Schnell ändern ist nicht. In Pondicherry bleibt Simon im Werkstattviertel, während die Jungs und ich uns in ein Hostel in Auroville einmieten.

 

Ein guter Ort, tolle Stimmung, Versorgung, international, leider Zimmer ohne Klimaanlage, immerhin besser auszuhalten als im heißstickigen Fidibus. Es ist so heiß! Wir leben im Tropenhaus. Oder Saunatür auf und nicht mehr rauskommend. Wir werden lethargisch, geruhsam, langsam, jede körperliche und geistige Tätigkeit kostet Überwindung, es geht einfach nicht mehr. Mehrmals täglich unter die Dusche und gleich wieder nass vor Schweiß. Schwindel und Kreislauf merken wir, Haut hat Hitzepickel. Wir nehmen es an, machen das Beste draus und genießen Südindien. Es hat Flair! Wir saugen auf, was wir können und wissen, wir zielen auf baldigen Himalaya, kühlere Regionen, die besser zu uns passen und wieder normal fühlen lassen. Die Hitze zu durchstehen ist sicher mit die größte Herausforderung auf unserer Reise. Trotzdem lassen wir uns nicht irgendwas vermiesen, sondern machen uns ne gute Zeit!

Auroville ist eine internationale Gemeinschaft aus den 60ern, seitdem mit tausenden Menschen, die sich über mehrere Dörfer streckt und viel Kultur und Natur bietet – auch für Kinder. Es gibt alles, was das Herz begehrt aus den eigenen Werkstätten: Bücher, Räucherstäbchen, Kosmetika, Schmuck, Kleider, Kunst, Nahrungsmittel, eine beste Käserei, Bäckereien, Kekse, die man noch Kekse nennen kann. Erst erkunden wir mit Rädern, dann per Mofa und Scooter! Noah saust voll happy seine ersten Mofarunden. Vor 21 Jahren trafen wir uns hier zufällig das dritte Mal in Indien, daher ein Ort von besonderer Bedeutung.

Der Baum, unter dem wir damals jede Nacht saßen und ewig redeten, wird heute besonders verehrt und umarmt von vielen Besuchern, geschmückt – echt witzig! Der Pool zu Vollmond damals, unser erster Kuss - wir finden ihn noch hinter einer zugewachsenen Hecke im Dschungeldickicht, was für ein Moment!

Die „Seele“ Aurovilles, der Matrimandir, ein futuristisch anmutendes Bauwerk, in dem man zur Stille kommt, zur Konzentration oder Meditation, hat sich auch verändert und ist fertig gebaut. Außen eine mit goldenen, runden Platten bestückte Kugel. Innen siehts aus wie im Raumschiff, man läuft spiralförmig hinein. Der Raum ist pur weiß, mit Säulen, in der Mitte eine Kugel, ein Kristall, der den Lichtstrahl, der von oben durch ein Loch hinein scheint, im Raum reflektiert.

Dieses zu sich kommen im Wirbel Indiens, dieses Zentrieren, nur der eigene Atem und jede eigene Bewegung spüren – das gibt es immer noch im Matirmandir zu erleben. Ich schließe die Augen im Schneidersitz, sauge die Atmosphäre ein, was hatte ich hier erlebt! Äußere Stille. Innere Stille. Nichts. Und doch alles. Und plötzlich Zugang. Zu einer Übersicht, einem Einblick, der sonst im Alltag schwer zu sehen ist. Diese Male nicht so intensiv wie damals, dieses Mal sind viele Touristen da. Die Auroville-Atmosphäre ist gewandelt. Und dennoch… hat es was. Auch wenn die Ruhe damals im leereren Auroville mit nur wenigen anderen meditierend im Matirmandir anders war. 

Fotos machen war nicht erlaubt, und ich hab nicht drum gekämpft, ich weiß, die besten Momente gehören nicht aufs Bild.

 

Simon brauchte eine ganze Weile in Pondicherry, es dauerte Tage, eh die passende Blattfeder geliefert wurde („Morgen!“ „Morgen!“ „Morgen!“). Er blieb im verruchten Werkstattviertel, ließ unseren Fidibus dort nicht alleine, nur unser Vorteppich wurde geklaut.

Als er endlich nach Auroville kam, brauchten wir noch Erholungszeit. Einen Tag fuhren wir per Scooter nach Pondicherry, die Jungs blieben in der Hitze im Hostel. Ein eindrucksvoller Tag für uns beide! Revival an alten Orten! 

Irgendwie machten wir da weiter, wo wir vor 21 Jahren aufhörten…

Und endlich waren wir bereit für die Weiterreise: 2000 km Richtung Norden!

 

Prompt verlassen wir Auroville, prompt kommt die nächste Baustelle. Batterie zeigt an. Verdacht: Lichtmaschine kaputt. Also Extrastopp Riesenstadt Chennai.

 

Vorher Mamallapuram als Tourispot.

Was schätzen wir unsere Kinder dafür, dass sie Pläne durchkreuzen!

In Mamallapuram interessieren die Tempel nicht mehr.

Was dieses Mal beim Flexibel sein raus kam?

Kein Bock mehr auf Sightseeing ergibt Flucht vor der Hitze ins Museum.

Zum Glück bietet da Mamallapuram Hervorragendes!

Was uns völlig staunen lässt.

Kein Menschenhandwerk kann diese Perfektion schaffen, solch Prachtwerk. Super dankbar, dass wir Indiens Muschelmuseum entdeckt haben, es ist eins der imposantesten Eindrücke für uns in Indien. Wir sind tief versunken in all die verschiedenen Formen, Muster und Farben dieser Unterwasserspezies.

Natur pur ist hier ausgestellt. „Nur ein Muschelmuseum“ und doch beeindruckender für uns als menschengemachte Bauwerke. 

Durch den städtischen Chennai-Dschungel kommen wir zäh, aber gut durch. Der Lichtmaschinen-Spezialist bestellt das Innenleben neu und bastelt das Äußere wieder drum. Fertig in einem Tag und raus aus der Stadt! In der Wartezeit vor der Hitze Zuflucht im klimatisierten Indoorhüpfpark suchen!

 

Wir starten eine angenehme Fahrt in den Norden auf sehr guten Straßen und finden wunderbare Stellplätze, die wir am Straßenrand über google maps finden. Ruhige Orte in der Natur, wo wir ungestört sind. Nach einigen Tagen haben wir wieder die ersten erholsamen Nächte seit langem: Zumindest die Nächte kühlen ab. Was freuen wir uns auf die Berge! Unser Fidibus macht die langen Strecken dann immer gut mit. Haben ja auch genug repariert in letzter Zeit!

 

Die Straßenqualität nimmt ab dem Bundesstaat Mahahastra ab. Die Fahrweise um Hyderabad wird zunehmend egoistisch. Man muss auf indischen Straßen mit allem rechnen, zu jedem Moment. Es braucht oft unsere doppelte Aufmerksamkeit, also Simon fährt und ich schau, wann er überholen kann und auf die Straßenbeschaffung. Unser Fidibus ist ihm so ins Blut übergegangen mit Verlängerung und dem ganzen Gewicht, dass er gut einschätzen kann

 

Die Jungs haben eine Bettvergrößerung bekommen.

Die Hitze macht erschöpfter und geruhsamer, irgendwie geschmeidiger, wenn auch angestrengt.

Wir genießen jeden Moment, die Welt zu entdecken und zusammen Familienzeit zu verbringen. Es ist anders - eine Kindheit ohne Schule, aber eine Welt, die uns schult.

 

Bika, unsere kleine Hündin aus Rajasthan vom November, hat sich eingelebt und seitdem wir lange Strecken fahren spuckt sie nicht mehr. Sie hat immer wieder an ihrer Straßenhundkondition zu knapsen. Obwohl Blue auch ein Straßenhund war, aus Marokko, war er ganz anders fit als sie. Wir spielen uns weiterhin ein als Team und sie macht das gut. Manchmal machen wir nicht gut, weil wir das Trainingsdurchhaltevermögen nicht haben wie wir gerne hätten, hoffen die kühleren Temperaturen machen uns wieder aktiver.

 

Dankbar, nun „diese Reise“ erledigt zu haben, die uns lange brannte und noch eine gute Zeit bescherte, lassen wir das hitzige Südindien hinter uns.

Wegen Reiseanstrengungen, die uns im Jetzt fordern, werden die Interneteinträge weniger - oder wegen der Augenblicke, die wir einfach im Jetzt sein wollen.

Wir bleiben dran, sicher, nur unregelmäßig. „Was schreibst du noch Sachen von da?“, fragt Finn. Solang ist das schon her. Bzw soviel hat sich seitdem schon wieder verändert.

Sonntag, 26. März 2023 - Auroville bei Pondicherry, Südindien

Das war Holi zu Vollmond in Hampi! 

Es folgt unser Hampi - Bericht, bis vor zwei Wochen waren wir dort, einem unserer Lieblingsorte in Indien.

 

Nun komm in die Hampi-Magie!

 

Nimm dir ein bisschen Zeit für HampiPampi, für den Eindruck dieser antiken Welt mitten in Indien.

Lass dich ein, lass wirken, nimm dir ein Glas Tee, tauch an diesen zauberhaften Ort, die Geschichte, die Atmosphäre…

Was ist das Leben ohne Probleme?

Ganz klar: Langweilig!

 

Goa verließen wir eigentlich gut vorbereitet für die Weiterfahrt und doch fühlt sich das Fahren irgendwie komisch an…

…Simon checkt. Tatsächlich ist eine Blattfeder gerissen! Also fahren wir vorsichtig. Hampi zu Holi zu erreichen wäre schon toll. Das sind 370 km. Danach Bangalore als Werkstattziel nochmal 350 km. Und so richtig Leistung ist auch nicht da. Check: Luftschlauch gerissen. Okay….

… bis Hampi schaffen wir! Einen Tag vor dem Fest Holi kommen wir an!

 

Es tat gut, einen Stichtag in Goa zu setzen. Sonst kommt man bekanntlich schwer los.

 

Und wenn schon Holi ist während wir in Indien sind, dann feiern wir das!

In Goa fließt viel Alkohol zu solchen Festen, weil Alkohol eben nur dort erlaubt ist und nicht in den anderen Staaten frei verkäuflich.

 

In Hampi war die Stimmung zu Holi total angenehm, vorweg hörte man von möglichen Übergriffen auf Frauen zu dem ausgelassenen Fest, aber das können wir nicht bestätigen. Polizei war auch gut gegenwärtig. An einem besonderen Ort wie Hampi zu feiern und gleichzeitig das Glück zu haben, passende Reisende um uns zu haben war einfach genial! Selten fühlt man sich verbunden mit anderen Reisenden und nun war die Verbindung so, als hätten wir uns dort verabredet. Wo trifft man sich zufällig? Beim Tempelelefanten. Wann sitzt man zum Chai am Fluss? Zu Sonnenuntergang mit rotem Vollmondaufgang. Deutsche, Kind im passenden Alter, Wohlgefühl Thementeilen. Mal wieder Lagerfeuer.

 

Deutsche zu treffen, die mal nicht an Indien rumnörgerln, tut gut. In letzter Zeit haben wir die Geselligkeit mit anderen Nationen eher geschätzt, weil die irgendwie lockerer waren. Ich als Deutsche hab ja auch öfter als gern so eine motzige, unzufriedene Art, anstatt die Dinge gelassener zu betrachten. Indien ist anstrengend und nervig, ja, aber das Herausfordern von sich selbst ist doch spannend. Wie sehe ich trotzdem was gut und bewerte es nicht nur negativ? Meine Rettung ist immer mein ausgeglichener Simon.

 

 

Holi, das Fest der Farben, liegt zu Vollmond im März oder April. Der Sommerbeginn wird gefeiert und dass das Gute siegt. Buntes Farbpulver wird wild rumgeworfen und ins Gesicht gestrichen, dazu lachend „Happy Holi“ gewünscht. Die Farben landen irgendwann überall, in den Haaren, auf dem Shirt, fliegen durch die Luft. Dazu Trommelrhythmen und Tanz. Abends begann die Zeremonie mit großem Feuer, Musik und Tanz. Vor dem Haupttempel in Hampi wird morgens weitergetanzt, gefeiert, gelacht, mit Farbe geworfen und gespritzt was das Zeug hält. Einige hopsen mittendrin mit, andere zurückhaltend am Rand. Insgesamt eine respektvolle Feier, egal wie wild die Tänze wurden, es war zwar laut aber superspaßig!

Die nächsten Tage lassen wir uns auf Hampi ein.

Es ist nicht nur der erste Ort, an dem wir uns Zeit nehmen, es ist auch ein Ort mit ganz eigenem Flair. Daher umso schöner, die Tage gelassen in Ruhe zu starten. Mit Chai, mit Tempelfische füttern, mit Idli am Fluss, mit dem Tempelelefanten beim Baden zuschauen. In der zunehmenden Tageshitze kann man eh nur langsamer machen als bisher.

 

Inmitten von Grün, Palmen, Reisfeldern, Bananenplantagen, und größeren Steinhügeln findet man überall antike Bauwerke, heilige Schreine, zerfallene Heiligtümer, Tempel, Kühe, Hunde und Affen. In Hampi gibt’s Affengarantie. Damit haben Noah und Finn am meisten Spaß. Nachdem Simon es vorbildlich geschafft hat, einen Affen am Schwanz zu ziehen, ohne dass jener merkte, dass es Simon war, eifern die Jungs nach. Gar nicht so leicht. Affen sind mit Vorsicht zu genießen! Und sobald du die Hand an die Tasche legst, um sie möglicherweise zu öffnen, sind die Affen sofort zur Stelle. Die Tiere in Hampi faszinieren. Alleine nur die Fische im heiligen Wasser am Tempel. Und natürlich der Tempelelefant. Eine Tradition, mit der wir uns nicht anfreunden können, sehen wir doch dass Laxmi all das sofort macht, was ihr Mahut ihr befiehlt. Ihre Mutter war auch schon Tempelelefantin hier. Laxmi ist heilig, die Inder berühren sie schnell ihrer Heiligkeit wegen, füttern sie mit Bananen, sie nimmt Geldscheine an, soll Leute im Fluss mit Wasser bespritzen. Manchmal wirkt sie müde. Manchmal wirkt sie aber auch, als würde sie lachen. Wir sind jeden Tag bei ihr und beobachten sie ganz viel. Sind fasziniert. Noch nie waren wir einem Elefanten so nah. Wie sie Treppenstufen runter zum Flussbaden geht, vorsichtig an den Keramikblumentöpfen vorbei, vorsichtig durch die enge Gasse der Motorräder! Sie merkt, wie man sie berührt, sie beobachtet auch. Sie mag unsere Bananen. Andere schmeisst sie weg. Ach, Laxmi, wenn wir könnten würden wir dich einfach mitnehmen. Raus in die Freiheit, zu anderen Elefanten. Jeden Tag bürstet und schrubbt ihr Mahut sie, jeden Tag bekommt sie neue Bemalung. Ihr Mahut wirkt irgendwie nicht sehr freundlich. Auch wenn Inder sowieso kurz angebunden sind und barsch klingen in Befehlen. 

Hampi ist ein Ort wie in einer anderen Welt. Zauberhaft. Magisch. Könnte hier passen.

Zeitversetzt. Urig. Immer für Überraschungen gut. Wenn man sich einlässt.

Aber so ist das überhaupt in Indien. Einlassen auf das andere, auch das was abschreckt und doch soviel über sich selbst zeigt. Erst dann beginnt was.

 

In der hintersten Ecke, dunkel, im Haupttempel, lockt uns eine alte Inderin. Ja, zuerst ist es etwas gruselig, aber dann zeigt sie uns eine Abbildung an der Wand. Die Spitze des anderen Turmes gegenüber bildet sich durch ein kleines Loch hier verkehrtherum an der Wand ab.

Und dann zieht sich jemand über den Boden. Wie die letzten Male nehme ich ihn wahr. Er ist immer noch da. Der Mann mit den gelähmten Beinen. Seit 21 Jahren kenne ich ihn. Damals war er 17. Er ist für mich Teil des Tempels, auch wenn er aus dem Nachbardorf kommt. Und von all den westlichen Touristen hat ihm noch keiner geholfen bei seinem Leid, denke ich. Natürlich kann man nicht der ganzen Welt helfen. Aber hier kommen und gehen die Westler. Aber vielleicht ist es auch okay so, er hat gute Kleidung an, sitzt auf dem Boden, vielleicht ist das seine Welt, in die er gehört. Was sollte ihm ein Rollstuhl hier bringen? Wäre doch eher hinderlich…

Vijayanagar, heute Hampi, war das letzte große Hindureich. Bis ins 16. Jahrhundert. 500.000 Einwohner sollen hier gelebt haben. Es gehört zum UNESCO Weltkulturerbe. Auf dem Gelände, das sich über mehrere Kilometer streckt, sind immer wieder Tempel für verschiedene Götter zu finden, mit Figuren verzierte Steintempel, wie gesagt immer wieder mit Überraschungen, zum Beispiel klingenden Säulen beim Anklopfen.

 

Die Sonnenuntergänge sind zauberhaft. Die heiligen Tempel haben eine irre Ausstrahlung. Kokosnüsse trinken tut gut in der Hitze. Und Affen beobachten macht Spaß. Was für ein toller Entdeckerort!

 

Ich mag nicht viel schreiben. Nicht zer-schreiben. Lieber Bilder wirken lassen. Jeder für sich selbst wirken lassen, ohne zu viel Input. Das ein oder andere kann man aus dem Text erkennen.

Genieße jeden Moment.

Eine Wanderung hunderte Stufen hoch auf den Hügel des Affengottes Hanuman. Hier soll er geboren sein. Er soll gute Eigenschaften haben, die wir für unsere Weiterreise gut gebrauchen können, da können wir ihm doch mal einen Besuch abstatten.

Mit Mut, Stärke und Tapferkeit gesegnet sein und bedingungslos lieben. Schwere Lasten tragen, weite Entfernungen zurück legen. Weise, intelligent sein, Probleme klug lösen, einen kühlen Kopf in schwierigen Situationen bewahren. Dafür steht Hanuman, halb Mensch, halb Affe. Na denn! Einen tollen Ausblick gibt es jetzt schon! Über grüne Reisfelder udn die antiken Stätten...

Am Straßenrand passieren wir hübsche Bananenstauden...

Samstag, 11. März 2023 - Hampi, Südindien

Abschied von Goa

nochmal eintauchen ins Hausleben, dann ist auch gut und wir freuen uns auf die Weiterreise
nochmal eintauchen ins Hausleben, dann ist auch gut und wir freuen uns auf die Weiterreise

Abschied von Goa.

Geht zäh, sagen Alteingesessene.

Jipp. Auch bei uns.

Nachdem wir unser Haus verlassen haben, fuhren wir für einige Tage nach Agonda, Südgoa, zum Einfinden im Leben unterwegs. Das dritte Mal, dass wir hier waren. Jetzt war es noch heißer und nach wie vor feucht. Die Salzlampen waren klitschnass, Salz zieht Feuchtigkeit an. Wir versuchen, in unseren Alltag mit Arbeit und Homeschooling zu kommen, merken aber das geht nicht so einfach. Die Hitze ist einfach zu stark und nimmt uns zu sehr mit. Bis wir in kühleren Gefilden sind gehen wir das schulische Lernen also sehr milde an. Auf jeden Fall genießen wir die Vorteile, die der vertraute Ort bietet, Strand und Dorf. Wir blieben eine Woche. Und merkten zum Glück in Agonda recht schnell, dass die neu besorgten Bordbatterien versagten. Völlig! Kein Strom mehr, so gar keiner - wie noch nie. Kein Licht, kein Laden, keine Ventilatoren! So geht kein Familienleben im Fidibus!

Neue mussten organisiert werden, also zurück nach Nordgoa.

Und zurück ins Haus. Eine Woche. Denn eine Woche soll das Liefern der neuen Batterien dauern. Unser Haus war frei. Also nochmal. (Bis hierhin hab ich im Blog schon geschrieben - gerade nachgelesen ;-) Die Batterien wurden nach langem Hin und Her zurück genommen. Nach einer Woche im Haus waren die Neuen immer noch nicht da. Die indische Art „Morgen kommen sie!“ hörten wir mehrere Tage am Stück. Also jetzt wirklich Abschied vom Haus und zurück an unseren Goa-Anfangsort im Wäldchen in Morjim. Und endlich konnten wir die Batterien abholen und Simon sich leider wieder abmühen, sie unter unseren Fidibus zu bauen. Voll anstrengend für ihn, aber da unten sparen sie Platz. Morjim war passender Abschiedsort von Goa, wir genossen unseren liebsten Beach Shack, das super Essen dort und hatten entspannte, sehr angenehme Overlander-Nachbarn!

 

Auch bei unserer Hebamme zu Finnis Geburt, Corinna, die in den letzten Jahren ein prächtiges neues Geburtshaus eröffnet hatte, nahmen wir Abschied.

 

Corinna hat in Deutschland gelernt und gearbeitet und ist mittlerweile seit 20 Jahren als Hebamme in Goa tätig. In den letzten Jahren hat sie ein neues Geburtshaus aufgebaut. Es gibt einen toll gestalteten Geburtsraum, einen Gruppenraum mit Dschungelblick, Küche, Pool und Tauschladen – und ist beliebter Treffpunkt von allen mit Bauch und Kind. Wärmste Empfehlung, hier mit ihr zu gebären! Corinna hat Know-How und arbeitet kompetent, verantwortungsbewusst, kennt sich mit örtlichem Fachpersonal und Bürokratie aus. Ich mag ihre authentische, ehrliche, direkte Art im Miteinander. Sie legt ihre schützende Hand auf Mutter und Kind. Als wir damals kurzfristig vor Termin anreisten, da wir unseren Fidibus nicht auf die Schnelle bürokratisch durch China organisiert bekamen, half sie uns sehr. Sie war unser Glücksgriff und Geburtsengel. Kaum zogen wir ins passende Haus ein, setzte bald die Geburt ein. Wir hatten noch etwas Vorbereitungszeit und abends wurde unser Zweiter im Wasser im Kinderplanschbecken geboren. Jede Geburt, natürlich auch in der Fremde unterwegs in der Welt, braucht einen geschützten Rahmen. Danke, liebe Corinna!

 

Jetzt kamen wir zurück nach Goa, um Finn seinen Geburtsort zu zeigen, und freuten uns immens, Corinna wiederzusehen! Auch sie war ganz neugierig, eines „ihrer“ Kinder wiederzusehen.

 

Alle Orte und Menschen, die uns nun hier zugehörig waren, bekamen also ein ordentliches Tschüss.

Es war nun wirklich die richtige Zeit weiterzuziehen!


Montag, 27. Februar 2023 - Nord-Goa, Indien

Hauszeit 

Goa.

Das war unser Ziel. Da wollten wir hin.

Das war geschafft.

 

Unser anfängliches Orientieren im veränderten, engen, mit Touristen vollem Nordgoa ging in ein nettes Weihnachten im Wäldchen am Strand in Morjim über und schließlich zu Neujahr an den altbekannten Overlanderstellplatz in Südgoa Agonda, wo wir diverse andere Overlander trafen.

 

Bis dahin waren wir von Blues dramatischen Verlust ziemlich geschafft. Wir waren nicht aufnahmebereit, noch hatten wir Lust zu entdecken. Wir wollten einfach nur Ruhe. Kein Orientieren, kein Input, kein Organisieren. 

Aber die nötige Ruhe bekamen wir erst im neuen Jahr. Durch einen Glücksgriff.

 

Im richtigen Moment sah ich bei AirBnB das Angebot eines Hauses mit drei Zimmern an dem Ort, wo Finni geboren ist. 1.: Es war sein großer Wunsch dort zu wohnen, die haben nämlich auch einen genialen Pool. (Es ist ein umzäuntes, schön angelegtes Gelände mehrerer Immobilien mit Wachmann und Pool, Pause von Indien) 2. Oma und Opa besuchen uns für einen Monat, dafür brauchen wir geeigneten Wohnraum mit am besten viel Platz, eigener Küche und Waschmaschine.

Bingo! Volltreffer! Glück sofort da!

 

Darf endlich sein. Musste sein, damit wir endlich wieder zu „uns kommen konnten“. Ein Rückzugsort zum Auftanken, Spaß haben, Regenerieren, waschen und schaffen. Kein Input, kein dauerndes Organisieren in der Fremde (wo bekommen wir Wasser/Einkauf/Geld/Tanken, welche Route, wo Nachtplatz?).

 

Ein Haus - westlicher Stil.

Nicht selbstverständlich oder easy zu finden in Goa.

 

Genau das, was wir brauchten: Ein großes, klares, leeres Haus, weite Räume. Wasser und gutes Wasser.

In den Wochen räumen wir fast den kompletten Fidibus aus, es wird geputzt, Kaputtes zum Schneider gebracht, kleine Baustellen repariert. Nebenbei genug Zeit für den Pool, für Strände, für gutes Essen, ein paar Ausflüge, zum zusammen sein. Es ist toll mit Oma und Opa! Was für ein Geschenk, das sie uns hier besuchen! Was wirklich zählt im Leben! Diesen schönen Ort gemeinsam zu erleben.

 

Durchatmen. Loslassen. Freuen. Gesicht auflockern mit mehr Lachen - endlich wieder.

Und die Waschmaschine singt sogar ein Liedchen, wenn sie fertig gewaschen hat.

 

 

Wir wurden also wieder "neu".

Und was wir sonst so machten...

Nach einem Monat geht’s weiter, erst nochmal Agonda, um dort festzustellen, dass wir falsche Bordbatterien gekauft hatten. Wir wurden falsch beraten, sie vertrugen kein Solar. Noch nie waren wir so ausgeknockt, es ging gar nichts mehr, kein fließend Wasser (Wasserpumpe), kein Licht, keine Ventilatoren, geschweige denn Steckdosen – das strapazierte uns gleich, wo wir zurück im Fidibus waren, zum Glück noch in Goa! Neue, passende Batterien bestellt und warten. Die Zeit nochmal ins Haus. Das gerade frei ist.

 

Und jetzt sind wir noch hier, danach verbringen wir die letzten Tage in Goa und spüren alle wieder Lust, weiter zu fahren und Neues zu entdecken! Wie schön das ist, Entdeckerlust braucht man nämlich in Indien unterwegs. Für die Nerven im Verkehr, in der tickenden Andersartigkeit der Mentalität, des Klimas.

Uns macht im Fidibus sehr die Hitze in Kombi mit Enge zu schaffen. Wir sind weder vom Platz noch von Klimaanlage verwöhnt im Lebensraum unseres Reiselebens. An diesem Punkt lernen wir am meisten, was es bedeutet außerhalb der Komfortzone zu leben.

 

 

Wegen der aufkommenden südindischen Hitze entschlossen wir, den Süden wegfallen zu lassen. Muss nicht alles sein. Einige Stationen noch, und dann lieber in den Norden, Varanasi und Himalaya. Ob wir Nepal machen, wissen wir noch nicht. Wir sind ja nicht die, die extra irgendwohin hinfahren, nur um etwas zu sehen, z.B. das Taj Mahal, nur wenn wir fast dran vorbei fahren, nehmen wir es nach Lust und Laune mit (wie in Isfahan, da standen wir auf dem Parkplatz und die Entdeckerlaune war weg - lieber weiter). Wir schauen, was die Jungs mögen und was uns allen gut tut. Wir lieben die Berge. Dauert zwar noch etwas eh wir da aufkreuzen, aber Vorfreude ist auch schön. Je nachdem wie lange wir Lust haben, bleiben wir und haben dann vor, nach Europa zurück zu fahren. Welchen Weg müssen wir zu dem Zeitpunkt sehen, welche Grenzen sind offen? Toll wäre es, über Russland nach Skandinavien zu fahren, um in Schweden eine weiße Weihnacht im Schneehäuschen zu verbringen. Ha! Seeehr weit gegriffen…wir bleiben flexibel. Ist vielleicht auch nur der intensive Wunsch nach Kälte und Schneestille gerade hier im vor Unruhe und Hitze brodelnden Indien.


16. Januar 2023 - Nord-Goa, Indien

Happy 2023!

Noah ist Baumläufer geworden aus großer Liebe zu Kokosnüssen - Sein unerschüttliches Motto: Trau dich!
Noah ist Baumläufer geworden aus großer Liebe zu Kokosnüssen - Sein unerschüttliches Motto: Trau dich!

Seit Ende November sind wir in Indien.

 

Indien.

Affen, Hitze, Kokosnüsse, Müll, Gerüche, Hinduismus, scharfes Essen, Menschen, die auf Selfies mit Touristen stehen, Hintern ohne Klopapier putzen, hupen, Fahren nach Spur frei und heiligen Kühen, Riesenspinnen, Kamele, Elefanten, grüne, blaue, bunte Vögelchen, bunte Kleider, laut rotzen, Schulkinder in Uniform, Blumenkränze, so viel mehr!!

Indien ist alles. Kann alles sein. Auf jeden Fall ist es: Intensiv!

 

Kaum dreh ich mich von der Bustür weg und wieder um, sehe ich einen der Affen mit Plastikbox mit grünen Kugeln drin über mir von Baum zu Baum hüpfen. „Wo hat er die denn her, mitten hier im Dschungel?“, denk ich. Bis ich checke, das waren die Weintrauben von unserem Tisch IM Fidibus! Sobald ich mich von der Tür wegbewegte, nutzte er die Gelegenheit, die wohl schon länger von ihm auserwählten Weintrauben auf dem Tisch zu ergattern. Cave: Affenalarm!

Ihr Lieben, das Schreiben wurde vernachlässigt, da wir mit uns zu tun hatten. Es war viel los, die Verarbeitung muss warten. Der plötzliche Verlust von Blue setzte uns ziemlich außer Gefecht.

 

Heute folgt also ein längerer Bericht über die ersten Wochen in Indien.

Die Pakistanstory wird noch nachgeholt.

 

Es gibt zwischen Pakistan und Indien nur einen Grenzübergang für Ausländer, der liegt im Norden fast am Himalaya, und heißt Wahga. In Pakistan werden wir herzlichst verabschiedet, typisch pakistanisch, der Grenzbeamte schenkt den Jungs jede Menge Chips und Popcorn, Frauen schenkten mir ein Blumenarmband. Noah kümmert sich um den Geldwechsel.

 

Die Wahga Border ist bekannt für ihre Grenzzeremonien, also fahren wir inmitten eine Arena und sind umzingelt von fahnenschwenkenden Indern, die auf die Feierlichkeit warten. Wir schwenken gleich mit, haben wir es doch endlich geschafft, nach fast 21 Jahren India Overland zu erreichen!

Grenzabwicklungen problemlos, bei der ersten Mautstelle werden wir gleich versucht abzuziehen mit einem viel zu hohen Rupienbetrag. Das kennen wir nicht mehr! Die beiden letzten Reiseländer, Iran und Pakistan, waren sowas von gastfreundlich und zuvorkommend, schenkend, einladend, dass diese Art nun total Gewöhnung braucht!

 

Bei Sonnenuntergang erreichen wir die Stadt Amritsar, die bald hinter der Grenze liegt. Sie ist bekannt für das Heiligtum der Sikhs, den Goldenen Tempel. Punjab heißt die Region hier im Norden und zieht sich durch Pakistan und Indien. Unsere erste Nacht verbringen wir nah am Goldenen Tempel mitten in der Stadt in einem Parkhaus. Innen! Stadtfrischluftzufuhr gibt es, bisschen bessere Luft als in Lahore vorher. Naja. Dafür ist die City nebenan. Ein buckeliger Junge in Lumpen mit zauberhaftem Lächeln verkauft ältere Postkarten, wir lassen unsere Isolierkanne mit frischem Chai füllen und probieren nordindische Kost, über die sich primär Simon freut (scharf). Gassenschlendern, Geschäftegucken, Gewürzmilch wird in hohem Bogen durch die Luft in den Tonbecher geschwenkt, dann sind wir da: Am Goldenen Tempel. Hier war nur ich im Jahre 2002. Der mit Blattgold überzogene Tempel wird von heiligem Wasser umgeben, das wiederum von einem rechteckigen Marmorweg und umliegenden Gebäuden. Pilger und Musik dazu ergeben die idyllische Atmosphäre. Wachmänner passen auf: Jeder Kopf soll bedeckt sein und jeder Fuß ohne Schuh. Ich versuche zu verstehen, dass wir tatsächlich hier sind, nach unserem weiten Weg von der Türkei, wo wir langwierig die Reiseformalitäten erledigten, weiter durch den politisch aufgewühlten Iran, mit Kalaschnikow-Polizeischutz durch Pakistan, mit schmerzhaftem Verlust von Blue im Herzen - wir sind hier, als Familie und mit unserem Haus auf Rädern. 

Die ersten Tage dienen der Neuorientierung. Simon hat sich ins Internetthema eingearbeitet und muss, um eine gute Simkarte zu bekommen, eine Hotelnacht kaufen, damit der freundliche Herr dort für ihn die Registrierung in seinem Namen vornimmt (geht nicht für Ausländer). Die nächsten Tage müssen wir uns ständig auf Hindi telefonisch bestätigen, bis wir dann endlich unsere gute unlimited Verbindung haben.

 

Erst wollten wir noch in den Exilort des Dalai Lamas nur 300 km entfernt in den Himalaya fahren, aber da wir Weihnachten in Goa sein wollen, schaffen wir das jetzt nicht mehr und schieben das auf Sommer, da wir dann mehr Zeit im Himalaya haben – und mehr Wärme. Also: Zielgerade Südindien, Goa.

 

Von Amritsar südlich, nicht mehr ostwärts. Wir suchen unsere Schlafplätze über eine App oder einfach so. Ein Vogelschutzgebiet bietet einen tollen Parkplatz, ruhig, mit Hanfduft. Alles Hanf um uns, Wahnsinn. Hier wandern wir entlang des Gewässers durch eine Baumallee. Wie lange hatten wir keine großen Bäume! Es ist herrlich. Dann kommen die Affen, sobald sie sehen, dass ich meine Tasche öffnen will kommen sie noch näher, wir müssen erst geübt werden in Affenbegegnung und bewaffnen uns mit Ästen, um sie zu verscheuchen. Irgendwann verfliegt mit der Zeit die Angst vor einer Horde Affen, Respekt und Vorsicht bleibt.

 

Seit Pakistan ist Linksverkehr und in Indien hält Simon sich tough. Megaaufmerksam, mithaltend, sonst bist du verloren, er benutzt die sonst nie benutzte Hupe, der Verkehr ist wenn es eng wird megachaotisch, für meine Nerven nichts, einige Straßen sind freier. Straßenqualität sowie Fahrverhalten der anderen uneinschätzbar, von miserabel bis okay. Manchmal so durchrüttelnd, dass es nicht dauerhaft aushaltbar ist. Aufgrund der Straßengröße ist keine Straßenqualität einzuschätzen, öfter sind die größeren Straßen in besserem Zustand. 

Wir fahren durch Rajasthan, ein eher spärlich besiedeltes, wüstiges Gebiet. Wir halten uns zurück mit Sightseeing, die Jungs haben keine Lust auf Bauwerke, wir sind innerlich eingenommen vom Schock um Blue. Wir verfolgen unser Ziel. Täglich schaffen wir 200 bis 300 km vorwärts. Grundsätzlich erregen wir überall Aufmerksamkeit, alle Augen auf uns, egal wo wir halten, egal wo wir stehen zum Übernachten. Häufig auch Klopfen am Fidibus. Keine Ruhe. Keine Privatsphäre, Blue hätte noch die Leute etwas abgehalten, nah an unser Fahrzeug ranzukommen und reinzugucken, wir müssen einen Weg finden, damit umzugehen. Insgesamt ist es echt anstrengend für uns.

 

Natürlich denke ich „Hätten wir diese Reise bloß nie gemacht!“ und Simon sagt „Jetzt sind wir von Indien geheilt“, weil es so fordernd ist, Indien mit seinem Chaos für uns im eigenen Fahrzeug unterwegs, dazu in unserer inneren Stimmung (wofür Indien ja nix kann). Es kommt alles hoch, weil alles verarbeitet werden muss und alles hat seine Berechtigung. Wir gewöhnen uns nebenbei an das Ticken dieser Welt, an den Bodenbelag aus Müll (daran kann man sich nicht gewöhnen), an die Gerüche, an das Essen, an die zunehmende Hitze, umso südlicher wir fahren.

 

Wir sorgen für frische Kokosnüsse. Damit verwöhnen wir uns. Noah sorgt für genug Nachschub, auch im Norden kann man sie kaufen. Erst trinken, dann aufschlagen und das Innere auslöffeln.

 

In einer Stadt warten wir an einer Kreuzung, wo wir geradeaus drüber müssen. Von links und rechts kommen ein Auto und ein Mopedfahrer aufeinander zu. Sie gucken aber nicht geradeaus, sondern auf uns. Und fahren frontal gegeneinander. Direkt vor uns. Was bin ich froh, dass der Mopedfahrer heil unter dem Auto auftaucht! Dann zeigen sie auf uns und erklären sich, dass sie beide zu uns rüber geschaut haben.

 

Eine Woche lang waren wir wahnsinnig mitgenommen von Blues Tod. Am siebten Tag fühlt es sich mehr nach Loslassen an.

Und am achten Tag passiert ein Hundewunder…

Unser Hundewunder kommt vor unseren Fidibus gelaufen. An einer Mautstelle.

Ich muss zweimal hingucken. Ist das Mini-Blue?

 

Ein wahnsinnig dürrer, bis auf die Knochen abgemagerter, zitternder Welpe gemustert wie Blue, schwarzweiß, zieht vor uns am Müll. Nach dem Mautzahlen halten wir an und ich locke den Welpen mit Wurst an. Ohne Kauen wird alles verschlungen. Es ist klar, nur jetzt füttern bringt nicht viel. Ein Blick zu allen - einverstanden. Wir waren uns schon vorher einig, wieder einen Hund zu haben, allerdings nicht so schnell… nun ist er aber da, dieser Welpe. Blutigeitrige Beulen am Kopf, schuppenübersäte Haut, mattes, dreckiges Fell, knochig. Große Augen. Ein Mädchen. Die Leute der Mautstelle sagten, sie ist schon länger da, sie schätzen sie auf 3 Monate und wir können sie gerne mitnehmen. Bika aus Bikamer ist immer noch bei uns. Ihre Wunden heilten. Sie lernte kauen und fressen. Nur das Fahren mag sie nicht, hoffentlich wird es besser, jede Fahrt spuckt sie. Es ist schön mit ihr. Natürlich fehlt Blue trotzdem mit seiner ganzen Art. Groß und Klein zusammen hätten sich sicher prächtig gemacht!

Auf der Kamelfarm von Ilse „Camel Charisma“ bekam Bika sofort einen Tontopf voll frischer Kamelmilch. Die soll sehr gesund sein und vor allem aufpäppeln. Bika sah aus wie ein Ballon. Das war zu viel! Wir mussten sie langsam füttern. Camel Charisma ist ein toller Ort mitten in Rajasthan. Hier geht es um den Erhalt der Raika-Tradition, der Kamelhirten. Kamelmilch mit gesundenden Eigenschaften soll vielen Menschen helfen, hier wird sogar Käse angefertigt. 

Wir fahren viel. Durch einen Dschungel gesellen sich kurz die Affen mit aufs Dach. Wir halten an, um indisch zu essen. Aber Achtung: Schärfe und Hygiene! Das Tollste an Indien dieses Mal ist, unser eigenes Klo und Bett dabei zu haben! Mit Magendarm haben wir immer wieder zu tun. 

Mumbai, die Metropole, umfahren wir weitläufig und trotzdem wirkt die Umgehungsstraße wie in der City. Immerhin: „Ein toller Supermarkt!“ -  ja das müssen wir erwähnen, denn westlich gewohnte Kost wie Joghurt oder Toast sind sonst nicht zu finden und für das Wohlbefinden unserer Jungs von Bedeutung! Seit dem Iran nur in Städten zu finden.

 

Die Strände nördlich von Mumbai und nördlich von Goa sind der Traum! Weite, Einsamkeit, Natur! Die Ruhe, die wir brauchen! Ich wusste nicht, dass es sowas gibt in Indien. Wir bleiben einige Tage, regenerieren etwas, verdauen das Neue. Bika wird ausgiebig im Ozean gebadet, das Beste für ihre Haut und endlich sauber, keine stinkenden Pfoten mehr!

In Goa treffen wir knapp zwei Wochen vor Weihnacht ein. Unser Ziel.

 

Finni ist megahappy, endlich seinen Geburtsort kennenzulernen.

 

Aber die Haussuche erweist sich als schwierig, außerdem sind die Preise in Goa extraorbitant gestiegen, die Häuser sind vermietet – klar es ist DIE Urlaubszeit schlechthin, Hauptsaison! Die Strände haben sich verändert, Goa ist überall zugebaut, laut, voller Menschen! Es ist eng in diesem dschungelartigen, kleinsten Bundesland Indiens, mit Fidibus sowieso. Die Atmosphäre ist nicht mehr die, die wir kennen. Die Hitze ist auch plötzlich gekommen, vor Goa weiter nördlich war es noch frischer, windiger. Wir reisen simpel -  Easy Travelstyle - haben keine Klimaanlage im Fidibus verbaut.

 

Irgendwann denk ich an Josef und Maria auf der Suche nach einer Herberge. So geht’s uns irgendwie. Unsere Herberge wird ein kleiner Wald am Strand. Für Geburtstag und Weihnachten. Passt. Tatsächlich finden wir für den Tag die nötige Privatsphäre und feiern in der Natur. Mit Feuerchen, die Natur harmonisiert einfach auch zu Feste mit uns! (Feiertagsbericht weiter unten).

 

Zwischen den Jahren ziehen wir nach Süd-Goa ans Meer. Hier ist der urige, schöne Overlander-Stellplatz in Agonda. Über den Jahreswechsel sind hier mehrere Overlander –  seit der Türkei mal wieder typisches Stellplatzfeeling unter Europäern. Vor 9 Jahren waren wir vier hier in einer Strandhütte und hatten Sehnsucht nach unserem Fidibus, den wir in der Mongolei zurückließen.

Jetzt darf Ruhe einkehren, wir bleiben und wollen lange bleiben. Agonda strahlt Ruhe aus. Erst werden wir krank. Finni macht den Vorreiter, dann liege ich flach mit Fieber und Grippe. Als ich wieder fitter bin, geht die Haussuche los. Aber in Agonda finden wir nichts Passendes.

 

Plötzlich ändert sich alles. Das Angebot bei AirB&B entdecke ich gerade rechtzeitig, das gibt’s doch nicht!

 

Tatschlich geht Finnis Traum in Erfüllung:

In einem Haus mit Pool an seinem Geburtsort zu wohnen! Ein prächtiges Haus, riesig, western-style, perfekt für uns mit allem, was wir wollten! Die Jungs haben ein riesiges Zimmer, Oma und Opa haben auch genug Platz und sogar einen Extrabereich! Ich habe eine Waschmaschine! Der super Ort zum Durchschnaufen für uns vom sonstigen Indien. Etwas abgeschottet, umzäuntes Gelände, bewacht.

Dass wir diesen Ruheort doch noch kriegten!

Es ist ein Genuss am Schreibtisch zu sitzen, vor mir in die großen, wehenden Blätter zu schauen, angenehmen Tempelgesängen zu lauschen, Eichhörnchen und minikleine Vögelchen zu beobachten und hin und wieder einen Affen. Die Temperatur im Haus ist viel erträglicher als im Auto. Wir können mal wieder die Türen schließen, jeder hat mehr als ausreichend Platz. All das, was für andere Hausbewohner normal ist, ist für uns Besonders geworden :-)

 

Ich liege am Pool, gucke auf das Zimmer, in dem Finni im Gebärpool geboren ist und sehe die Palme, an die ich mich in den Wehen abstützte. Es bestand ein gewisses Potenzial, dass mich während der Wehen eine Kokosnuss getroffen hätte, denk ich grinsend. Kurz nach der Geburt kam der Baumläufer und erntete an der Palme die reifen Nüsse, das weiß ich noch.

Es ist richtig, dass wir hier sind.

Indien kann jetzt beginnen. Bisher war es ein Vortasten.

Hier können wir ankommen und ich weiß, wir sind hier, weil wir Kreise schließen.

 

Kreise schließen fängt jetzt hier an.

 

Mit der Plazenta, dem Mutterkuchen, ha! 

Die Plazenta! Die haben wir brav verbuddelt, hier in Goa. Nur wo war das? Für die Antwort müssen wir die liebe Saroja ausfindig machen, in deren Garten wir sie einbuddeln durften. Saroja war bei Finnis Geburt dabei, hat als Freundin von Hebamme Corinna auf Noah geschaut. Sie sagte nach der Geburt, dass Noah in dem Moment als Finni geboren wurde, das Spiel im Nebenraum intuitiv verließ und zur Geburt seines Bruders passend in den Geburtsraum kam. Wir waren alle dabei, als Finni aus dem Wasser auftauchte.

Über all die Jahre hat sich der Kontakt zu ihr verloren.

Und jetzt?

Läuft sie hier an mir vorbei! Sie ist wohnt jetzt auch hier, ein paar Häuser weiter.

 

Zufälle. Das Gefühl, am richtigen Ort zu sein. Endlich durchschnaufen. Wir bleiben, bis wir genug aufgepäppelt sind für weiteres Indien.

 

Irgendwie wollen wir dieses Jahr auch noch zurück. Nach dem Himalaya. Auch das bleibt spannend. Welche Grenzen werden dann offen sein? Wo lang geht es? Momentan öffnet China, bleibt der Iran offen?

Aber: Jetzt abtauchen in the Goa Planet und step by step sehen, wie sich alles entwickelt.

 

Wir wollen achtsamer, geruhsamer vorgehen, so gut es geht. Wieder mehr Freude kommen lassen. Das letzte Jahr war reich, wir haben viel Wunderbares erlebt und einen großen Schrecken, vor allem haben wir viel erlebt. Aber es zählt nicht die Quantität, sondern die Qualität. Man lebt nur einmal. Jeder Schrecken macht bewusster.

 

Wir wünschen euch noch ein tolles 2023!


26. Dezember 2022, 2. Weihnachtstag - Nord-Goa, Indien

Merry Christmas!

Unser zweites Mal Geburtstag und Weihnachten zusammen in Indien.

Das Geburtstagskind bestellt Unmengen an Kokosnüssen, bekommt eine Speck-Cheddar-Kartoffel-Tarte, findet sein Makitawerkzeuggeschenk in Goa, abends bringen Inder noch eine Schokotorte mit „HappyBirthday“ und „Merry Christmas“ gleichzeitig drauf,… so vieles mehr, was ihm Freude macht!

Am Eindrucksvollsten ist, dass Noah 15 wird. Wahrhaftige 15 Jahre dürfen wir mit dir zusammen sein. Uns von dir inspirieren lassen, uns mit dir wohl fühlen, unbeschreiblich glücklich darüber sein.

 

Jeden Tag faszinierst du uns erneut mit deiner Begeisterung, deiner Liebe, deinem Wissen und deiner Kreativität.

Ein kleines Bäumchen wird zu unserem Weihnachtsbaum im Wald neben dem Meer, die indischen Kühe finden dieses frische Grün natürlich interessant, und abends zaubern wir eine wunderschöne Stimmung mit vielen Kerzen.

Danke.

Es ist genau das, was wir brauchen. Eine gemütliche Runde in zauberhafter Atmosphäre.

Wie letztes Jahr in Rumänien mit unserer befreundeten Familie aus dem Marokko-Lockdown 2020 feiern wir auch dieses Mal mit unserer „Reisefamilie“. Mit Manuel, den wir in der iranischen Wüste auf seinem Fahrrad kennengelernt haben, und eng im Pakistankonvoi zusammenwuchsen, und seiner Freundin Lilla.

Die Harmonie war nicht unbedingt absehbar. Blue wird noch arg vermisst, Goa ist anders und nervig, es war etwas wie Josef und Maria auf der Suche nach einem passenden Ort. Dann wollte uns die Polizei noch wegschicken, aber seit der Polizeieskorte in Pakistan wissen wir mit Polizei umzugehen und bleiben standhaft, sie verstehen es und lassen uns.

 

Erwartungen loslassen, annehmen, Mitgefühl und Demut leben, Freude und Wohlgefühl teilen.

Dankbar für jeden Moment. Leben.

 

Wir wünschen euch Freude, Freude, Freude - und sonst Zuversicht, Kraft und eine gesunde Portion Humor. Mit Gesundheit.

 

 

Kommt gut in ein neues tolles Jahr!

27. November 2022 / 1. Advent - Rajasthan, Indien

 

Momentan passiert zuviel, als dass ich mitkomme darüber zu berichten.

Alles nach und nach. 

Alles muss sacken, verarbeitet werden.

Vor allem, dass uns lieber Blue von uns gegangen ist. 

Wir vermissen ihn so sehr!!!

 

Plötzlich war alles anders…

... wenn jemand stirbt, den man liebt, wird das Herz größer.

 

Manchmal möchte ich keine Geschichten mehr erzählen.

Wir sind nicht mehr das, was wir mal waren. Wir haben jemanden aus unserer Mitte verloren.

 

Blue war so wie wir. Deshalb hat er wunderbar zu uns gepasst.

Blue, dein ganzes Sein, alles vermissen wir wahnsinnig, so eng und nah wie wir leben, vermissen wir dich bei jedem unserer Alltagsschritte. Deine fliegenden Ohren, wenn du beim Fahren deinen Kopf am Fenstersims hieltest. Dein morgendliches Wecken, deine ästhetische Art auf dem Fahrersitz zu sitzen und den Überblick zu bewahren und damit alle Menschen zum Grinsen zu bringen. Deine Supersprints auf freier Fläche, dein Lachen dabei in deinem Hundegesicht. Du hast Begeisterung und Freude verbreitet, die fehlt nun!

Du warst genauso freiheitsliebend. Wir haben um die Freiheit bei der Polizeieskorte gekämpft. Eine anstrengende Zeit lag hinter uns, lange kein ausgiebiger Auslauf, keine entspannten Familienausflüge in der Natur.

Du warst genauso supersensibel. Die Stadt Lahore mit all den Sinneseindrücken hat uns allen zugesetzt. Zu viele Eindrücke für ausgeprägte Sinne. Gestank, Lärm, Tohuwabohu in den Straßen. Wir passen nicht in Städte, und du auch nicht.

Nur für Erledigungen waren wir in der Stadt, Smognächte, dann Magendarm, schon blieben wir länger als gewollt und just in dem Moment, als wir aufbrechen wollen in Richtung Indien passiert es. Deine Sinne und dein Freiheitsdrang leiten dich in die wilden Spuren der Stadt. Erschreckt kommst du zurück zu uns gesprintet, aber da war was passiert, wir wussten nicht was, aber du standest nicht mehr auf.

 

Jetzt, wo unser Ziel so kurz bevor stand, war Blue nicht mehr bei uns. Wir verbrennen seinen Körper nur 5 km von der indischen Grenze entfernt auf einem Bauernhof. In unserer Situation hatten wir das Geschenk, genau die richtigen Menschen zu treffen.

Alles wird relativ durch den Tod.

Drei Tage später fuhren wir über die indische Grenze. Nicht froh, sondern betäubt.

Unsere Geburt dort anzukommen, ist geschafft. Aber jede Geburt beinhaltet Tod - mit Blue's haben wir nicht gerechnet.

Danke, unser liebster Blue, danke, dass du uns die Zeit mit dir geschenkt hast!

Es tut uns wahnsinnig leid, dass du so gestorben bist.

 

Wir haben uns Trauerzeit genommen, drei intensive Tage, eine Woche brauchte es aber, um aus dem Schreck rauszukommen.

Vier Menschen. Vier verschiedene Ausdrücke der Trauer. Laut oder leise, sichtbar oder unsichtbar.

Tierverbundenheit ist etwas Besonderes. Wir nahmen uns Zeit, die wir brauchen. Zeit für Abschiedsrituale. Respektieren den Ausdruck von jedem.

Wenn Kinder trauern, diesen Schmerz, wie hält man das aus?

Alles darf sein, muss sein. Schreien, lautes Schreien, Weinen, Verzweiflung, endlose Gespräche mitten in der Nacht. Aus-halten, lassen, miteinander durchgehen, da sein. Genauso wie zur Geburt verliert man das Zeitgefühl beim Tod.

Was nährt ist die Liebe. Die Begleitung.

Die Taxidermisten, die sich unserer Aufgabe stellten, entpuppten sich sofort als herzensgute Menschen, die uns die nötige Hülle schenken, die es braucht in der Fremde. Sie unterstützten uns bei allen Wünschen, die wir hatten, sorgten für unsere Privatsphäre, besorgten von sich aus Essen und Trinken für uns, ermutigten „Seid jetzt stark!“, „Unser Herz ist mit euch!“ Sie spürten unseren Schmerz. Respektierten unseren, ihnen fremden Umgang mit dem Tod unseres Hundes.

Blue!

Du warst nicht nur Freund, du warst Bruder, du warst in unserem Familienreiseleben enger Begleiter. Für die Jungs, für jeden von uns. Immer präsent. Wolltest auch immer dabei sein. Wenn wir uns umarmten, sprangst du an uns hoch und umarmtest mit.

 

Es ist unvorstellbar, ohne unseren Blue zu reisen.

Der Schmerz ist groß.

Aber es geht weiter.

Es ging schon weiter.

Wir sind mittlerweile in Rajasthan, Indien, auf dem Weg nach Goa, wo wir einige Monate Pause machen.

Stagnation brauchen, wenig Eindrücke, social life, gute Gespräche, chillige Orte.

 

Über Indien werde ich wie gewohnt später schreiben.

Bisher haben wir's echt völlig benebelt aufgenommen. Jetzt werden wir wacher und wacher - befinden uns umgeben von neugierigen Menschen, egal wo wir anhalten - heißt: keine Privatsphäre vorm Fidibus -, es gibt nur noch so scharfes, gewürztes Essen, dass wir kräftig mit der Verdauung zu tun haben - zum Glück haben wir uns gut mit Nudeln in der Türkei eingedeckt und die Maus (die wir übrigens dank pakistanischer Klebefalle der Polizei gefangen haben) hat sie nicht alle in ihrem Rucksackversteck verfuttert, und wir haben wieder knallig scheinende Mittagssonne (und arschkalte Wüstennächte). 

 

Heute gibt es schöne Momente mit unserem Blue zur Ansicht, Indien bleibt hinten liegen, was hatten wir für tolle Zeiten mit ihm!!!

Kommentare: 2
  • #2

    Anne-Silja (Freitag, 17 März 2023 17:18)

    Danke, liebe Christiane!
    Ja, wir freuen uns auf die Berge und den Buddhismus. Die tibetischen Orte strahlen stets Ruhe aus. Durch Goa sind wir wieder gestärkt und freuen uns auf weiteres Entdecken, ist ja auch bald soweit, dass wir Südindien verlassen :-) sooo heiß

  • #1

    Christiane aus der Minna (Montag, 27 Februar 2023 22:50)

    Liebe Anne,
    Dein Bericht hat mich sehr berührt! Der Verlust von Blue, Bika, die auftaucht, Goa und das Haus, Indien, übervoll, laut, bunt, wunderschön. Fahrt nach Dharamsala! Wohnt ein bißchen im tibetischen Hotel. Buddhistisch, tut gut! Du siehst gut aus! Tolle Söhne, Noah schon so erwachsen beinah! Simon, der Fels. Wo immer es hingeht, alles Glück für euch!