Familien Reise Abenteuer


EurAsien 2012-2014 - Russland

Tausende Kilometer ostwärts

„Endlich draußen am warmen, dämmernden Sommerabend in der großen Stadt! Eigentlich wollten wir ins Restaurant. Vorher über die Promenade am Flussufer bis zum Sandstrand. Sauber ist es hier und das Wasser schön kühl. Ich liebe es, unzählige Male hinein und hinaus zu laufen. Bis meine Kleidung zum Popo nass ist. Egal, es macht Riesenspaß! Und Sand ins Wasser werfen!

Ins Restaurant können wir so nass nicht gehen.

Also erst Spielplatz. `Zum Glück ein Plastikspielplatz`, wie Papa sagt, da kann ich mich nicht noch mit Dreck einschmieren, dass der dann auf der nassen Kleidung kleben bleibt.

Mama findet, ich könnte Luftballonschiessen und Papa zeigt mir, wie es geht. Ich werfe einfach drauf los und hab 5 von 6 getroffen. Juhuuu!

Wir haben alle großen Hunger. Endlich, nach längerem Laufen und Kleidung trocknen, kommen wir an ein Bistro. Dunkel ist`s geworden. „Schaschlik“ können wir auf kyrillisch entziffern. Grüner Plastikrasenteppich liegt im Zelt und da setzen wir uns an einen Tisch. Cool, hier sind so hibbelige grüne und blaue Lichter, die zur Musik an der Wand und auf dem Boden tanzen. Ich stelle mich drauf und tanze mit. `Russischer Techno`, sagt Mama. Als der Kellner mich tanzen sieht, dreht er die Musik noch viel lauter, jippie! Mama soll ein bisschen mittanzen. Papa grinst und meint zu den wild bewegenden Lichtstrahlen: `Ausnahmsweise mal etwas hibbeligeres als er selbst!` Die Leute verstehen uns zwar nicht so gut, aber lachen herzlich und holen extra andere, die englisch können, damit wir wissen, was wir zu essen bestellen.

Als Schaschlik, Salat und Pommes endlich zu uns kommen, spielen ruhigere Lieder, und Paare tanzen fröhlich ausgelassen zwischen den Stühlen, Tischen und Getränkekühlschränken hin und her.

Irgendwann werde ich ganz müde und kuschel mich bei Mama ein. Zeit ins Bett zu gehen.

In mein Piratenbett in unserem Bus. Der steht auf dem bewachten Parkplatz um die Ecke.

Wir sind heute den ganzen Tag gefahren. Viele Staus und langsam vorwärts. Die letzten Tage konnten wir oft 80-100 kmh schnell fahren, aber heute kamen wir kaum vom Fleck.

Heute Morgen wachten wir auf unserem Stellplatz am wilden Flussufer auf. Zufällig entdeckten wir dort Steine und Felsen mit Fossilien, die nicht mehr aufhörten! Und Wasserschlangen sahen wir, wie sie ihre Beutefische an Land bringen, um zu verschlingen.

 

Der Fluss heißt übrigens Wolga, die Stadt Samara und `Privjet` heißt nun `Hallo` für uns!

Wir sind nämlich im größten Land der Erde: In Russland!"

 

Am Morgen schenkt der Parkplatzwächter Noah Kirschen. In neuer Tagesfrische besuchen wir den Wolgastrand der Stadt. Dort tümmeln sich bereits jede Menge Leute.

Welch ein Kontrast zu unserem Stellplatz gestern! Da sind wir abgefahren von der Hauptstrecke ins Gelände, um an die wilde Wolga zu kommen.

Jeder Tag ist anders als der letzte. Wir fahren viel.

Lassen uns darauf ein, uns von jedem Tag neu überraschen zu lassen.

Grenzübergang Russland

 

Von Kiew/ Ukraine ging es direkt ostwärts auf die kleine Grenze zu, Einfahrt abends.

Genaue Überprüfung der Ukrainer, die Russen verhielten sich erst recht zügig. Aber wiederholt und wiederholt füllen wir die Fahrzeugeinfuhrpapiere falsch aus. Falsch? Mehr als 15 Blätter passen ihnen nicht. Nee, nee, nee. Kommt nicht in Frage. „Mit Geld geht’s schneller“, sagen sie nicht, ist sicher so, aber keine Chance. Irgendwann hilft mein direkter Blick auf den Beamten und ein klarer Kommentar auf Deutsch. Ein Spruch zurück auf Russisch, alles ganz freundlich gehalten und durch sind wir.

Vier Stunden insgesamt.

 

Wir sind drin. Russland.

 

Wie das wird? Mit Bestechungen, Polizistenbegegnungen und schlechten Straßen, was wir gelesen haben?

Vier Wochen haben wir Zeit bis zur nötigen Ausreise. (Was passiert, wenn man das nicht einhält, erfahren wir auch später auf unserer Reise.)

 

Erste Eindrücke Russlands

 

Weizen, Kartoffeln, Sonnenblumen, Mais. Ewig Felder.

Kyrillisch entziffern wird schnell. Noah liest gerade gerne Buchstaben, deutsche eigentlich - hier haben gleiche & ähnliche Schreibweisen ganz andere Bedeutungen: B (dt) wird W gesprochen, I (dt) sieht hier aus wie ein umgedrehtes N, ein N (dt) hier ein H, ein Sch ein W, ein S ein umgedrehtes E, usw… Das wird lustig!

 

Jedes Lüftchen, unsere kühle Dusche, kalte Getränke von der Tankstelle, Eis … sind eine Wohltat!

Es ist wahnsinnig heiß.

Unser Ventilator pustet nur noch heiße Luft in verschiedene Richtungen, der Kühlschrank wird warm (erholt sich über Nacht wieder). Aushaltbar ist es nur zwischen 20 und 7 Uhr. Megakontrast nach dem eiskalten Schneewinter in der Schweiz, der hinter uns liegt!

 

Die Kombination von Stau im städtischen Verkehrschaos & Mittagshitze würden wir gerne gänzlich meiden, aber die Städte, die wir hin & wieder im Abstand von Hundert bis Tausend Kilometern passieren versprechen gute Erledigungsmöglichkeiten (fürs Fahrzeug, Einkaufen etc).

 

Wir fahren und fahren, kommen gut vorwärts. Durchschnittliche Geschwindigkeit 50-60 kmh. Selten auch 90/100 kmh,

oder nur 15 kmh. Umso weiter östlich, umso anstrengendere Straßen. Aber man bleibt wach beim Fahren, verfällt definitiv in keinen Fahrtrott. Die Ausweichstellen müssen gesehen werden und es ist spannend, wann der Straßenzustand das nächste Mal wechselt und wieder wechselt und ... wieder wechselt.

 

Voronez – Borisoglebsk – Saratov – der Wolga entlang – Samara – Ufa

 

In Samara verpassen wir aus Unwissen das Raumfahrtdenkmal Russlands, die Ariane. Das wär schön gewesen für

unseren kleinen Astronautenliebhaber! Vielleicht kommt ja noch was anderes?

Ural

 

Durch den südlichen Ural führt unsere Straße. Nur ein kleines Gebirge, Simon ist etwas enttäuscht.

Dafür fahren wir nicht mehr in Europa, sondern in Asien!

 

Ewige Weiten um uns mit Birkenwäldern, Sumpf- und Seenlandschaften.

Die Wärme wird akzeptabler, Mücken und Bremsen nicht!!

 

Pausieren & Nächtigen tun wir am Liebsten im Grünen. Simon und Noah basteln eine Steinschleuder, der Olymp wird aus Schlamm nachgebaut, Walderdbeeren gepflückt, am See gespielt oder Fahrrad gefahren. Ich putze unser staubiges Bad mitten im sibirischen Birkenwald.

 

Bewachte Lkw-Parkplätze entlang der Hauptstrecke durch Russland „Autostoljankas“ wählen wir auch immer wieder als Nachtplatz. Aber oft liegen sie nah der Straße, sind laut und Noah kann hier nicht gut spielen. Zum Schlafen erfüllen sie ihren Zweck. Preislich bis zwei Euro.

 

Weiter & weiter in den Osten fahren bedeutet laufend neue Zeitzonen. Es scheint fast immer hell zu sein, in jeder zweiten Stadt ist es noch eine Stunde früher. Verwirrt sind wir, aber ist zum Glück nicht wesentlich für uns. Wir leben nach eigenem Zeitgefühl, das hat keine Zeit sich einzustellen, weil es sich ja gleich wieder umstellen muss. Oder wir achten auf die Uhr oder eben auf die falsch gestellte Uhr.

 

Celjabinsk, Kurgan, Ischim - Umfahrung von Kasachstan, Omsk


 Auf den Pisten Sibirien’s unterwegs – das bedeutet für uns:

 

… keine Einschätzung treffen können, wie lange wir für unsere geplante Tagesstrecke brauchen werden

… alle paar Tage Zeitumstellung und zwar stündlich vorgestellt, bis wir unser eigenes Zeitgefühl entwickeln & ständig durcheinander kommen wie spät es

   jetzt ist (am Baikal + 7 Std)

Staub, Staub, Staub

Geruckel & Gehopse, Geklapper & Gewackel - als Fahrer dabei auf einem Gummiball sitzend (Fahrersitz ist ein IRSI Schwing-Federsitz)

… mit mir auf dem Gummiball von Lachattacken (wegen dem Gehüpfe) begleitet sein

… topneue Straßen, Schottersandpiste, Baustellen, unebene Straßen, Schlaglöcher, Spurrillen

… als Beifahrer je nach Straßenzustand & Fahrtempo im Bus bewegen oder spielen – man lernt alle Taktiken dazu

… glotzen: Birkenwälder, Sumpfgebiete, grüne Weite, Birkenwälder, Sumpfgebiete, grüne Weite, Birkenwälder, Sumpfgebiete, grüne Weite

… staunen: Unfälle, schrägliegende fahrende Fahrzeuge, Piste

… Fahrgeschwindigkeit von Stau über 15 bis 100 kmh

… Noah begeistert bei diesem Abenteuer, Augen & Stimme leuchten

… regelmäßig von Tankstellen, Gasstellen, Autostoljankas (bewachte Nachtplätze für Lkws), Cafes (Frequenz östlich abnehmend) begleitet zu sein

… zu lernen, wann wieviel Luft aus dem Reifen entlassen wird (von ursprünglich 4,5Bar bis zu 2,2Bar)

… zu lernen, wo man guten Diesel bekommt und wie man mit schlechtem Diesel fährt (die Motorsteuerung schaltet dann bei 3/4Last einfach ab,

   super wenn man gerade überholt)

… unser Gefühl bei dem Ganzen lässt sich wohl am Ehesten mit „ ein langer Pilgerweg auf Rädern“ beschreiben und was alles dazu gehört

… insgesamt meistern wir - besonders unser Bauchbaby, Kind & natürlich Fidibus - das prächtig und erstaunenswert gut

 

Ich frag Simon während der Fahrt nach einem gedichtlichen Kommentar zum Thema:

 

"Ein Gedicht –

das kann ich nicht.

Muss mich konzentrieren

Krabbel hier auf allen Vieren.

Noch und noch

Schon wieder so ein Loch.

``Achtung!“ ich schon wieder rief

„Das nächste Loch ist wieder tief!“

Zermürbt, zerrüttelt,

durchgeschüttelt.

Im Bus sich die Schrauben lösen

Mama kann nicht dösen."

 

Lustig unterwegs, eine unglaubliche Strecke von tausenden Kilometern bereits komplikationslos gemeistert.

Darf so weiterfahren!


In der Hauptstadt Sibiriens, Novosibirsk, besuchen wir eine Ligerin - Mischung von Papalöwe und Mamatiger - im Zoo. Zwei Nächte bleiben wir auf dem bewachten Parkplatz vor Ort - sicher einer der schönsten Stellplätze der Stadt, am Grünen & etwas ruhiger.

 

Superleckere arabische Küche suchen wir uns als Festmahl, dass wir vor einem Jahr zu unserer Balkantour aufgebrochen sind und nun wieder bzw. immer noch unterwegs sind. Noch die Stadt nutzen zum Shoppen, Kopfhörer und Computermaus bekommen wir nur in einer Großstadt.

 

Hinter Novosibirsk beginnt spürbar Sibirien: Es wird einsam.

 

Autostoljankas und Cafes werden zur Ausnahme, das an der Hauptstrecke!

Die Dörfer werden noch kleiner und die Straßen schlechter.

 

In Krasnojarsk, einer anderen Stadt, stoppen wir an der Kosmonauten Uni.

Hier kann Noah endlich eine Rakete anschauen und die Uni für Weltrauminteressierte.

 

Wir erleben auf unserer Reise mehr Natur als Kultur - angenehmer mit Kind. In der Natur können wir frei sein, Kraft und Ruhe tanken, spielen lassen und es gibt nicht zu viel neuen Input.

 

Weiter nach Irkutsk, letzte größere Stadt für uns in Sibirien, kurz vor dem Baikalsee.

Hitze und Verkehrschaos treiben uns nach Markt-, Cafebesuch und vergeblicher Mühe, die mongolische Botschaft am

Vortag des Naadamfestes zu erreichen, schnell wieder raus.

Weiter auf schwerfälligen Pisten zu unserem langersehnten Ziel…

ob wir das heute wirklich noch schaffen zum See zu kommen?

Eigentlich sind es nur 70 km zwischen Stadt und See, aber so kriechend wie wir vorankommen…

 

Aber tatsächlich eröffnet sich der gebirgige Wald zu einem grandiosen Blick auf das südliche Baikalseeufer von oben.

Nach 6563 km und 24 Tagen am Baikal!

 

Wo wollen wir heute bleiben?

Da mitten in den Wiesen am See sieht`s von oben nett aus, ein Feldweg führt hin.

Die Serpentinenstraße führt an Verkaufsständen mit geräucherten Omul vorbei. Diese Lachsart existiert nur im Baikalsee. Die transsibirische Schienenstrecke kreuzen wir mal wieder, wie schon oft durch Sibirien. Hier führen Straße und Schienen jetzt parallel am Ufer entlang.

 

Von der Straße auf den Feldweg. Vom Feldweg auf die Sandpiste direkt neben dem Wasser. Ein Stück weiter wollen wir noch. Rein in den Sand mit wenig Schwung - schaffen wir die Sandpiste bis sie da vorne aufhört und wieder in Wiese übergeht? Gerade auf den letzten Metern bleiben wir hängen. Jetzt haben wir das Schlammassel - nach dem Tag und endlich am Ziel! Zudem noch ordentlich tief eingegraben. Da hilft nur schaufeln. Und Sandbleche.

 

Spät abends gibt‘s aber endlich Festtagsessen! All unsere gebunkerten Leckereien kommen auf den Tisch.

Seit unserer Abfahrt lief alles wie am Schnürchen.

Und schon sind wir hier, am Baikalsee.

 

Als wär das selbstverständlich komplikationslos.

Noah fühlt sich wohl und unser Bauchbaby gibt auch nichts anderes von sich, sondern macht alles einfach mit.

Ich fühle mich gut und Simon auch.

 

Den Baikalsee haben wir auch als mehrtägigen Stopp zum Innehalten gewählt, zum Schauen, wie ist es eigentlich.

Aber das brauchen wir gar nicht.

 

Jeden Tag achte ich auf mich, schau mir meine Familie an, spüre zu unserem Bauchbaby hin und weiß:

Das Reisen ist unsers. 

Es treibt uns weiter. Unser Weg. Wo auch immer er hinführt.

 

Einfach und spaßig ist es nicht immer, Krisen gehören auch dazu: Zehrende Fahrtage, verfahren, die Enge miteinander. Aber da gehen wir durch, denn das Große Ganze wollen hält uns zusammen.

 

Das Ziel ist nicht genau definiert.

Das macht mich nicht nervös, zu weit entfernt ist die Geburt noch, und zu abgelenkt bin ich von der Strecke.

Ab und an kommen verschiedene Gedanken zum Thema, Ideen.

Wir werden in der Mongolei entscheiden, wo unser Baby auf die Welt kommen soll.

 

Die Reise schürt Vertrauen in den Lebensfluss, es läuft alles gut.

Manchmal dachte ich, Bedenken würden zunehmen, aber nein.

Kontakt und Gespür zu unserem Bauchbaby habe ich auf besondere Art. Abgelenkt durch Aufmerksamkeit in der Arbeitswelt könnte ich mein Gespür weniger nach innen richten und meinen Bedürfnissen nachgeben. Auch  Meinungen anderer sind weit entfernt. Ich muss mir selbst sagen können, wie es mir und dem Baby geht, kann diese Antwort nicht von anderen aufgrund von Untersuchungsergebnissen erwarten.

 

Alle Menschen begegnen uns durchweg positiv und hilfsbereit.

Gerade unser Kind löst oft herzliches Lachen aus und vereinfacht das Zugehen.

Polizeikontrollen hatten wir bisher tatsächlich nur eine. An Straßenkontrollen, besonders bei Stadteinfahrten, wurden wir meist durchgewunken. Vielleicht hat da auch Simons Plan zu beigetragen, den Bus außen möglichst unauffällig zu gestalten? Nur einmal wollte jemand Papiere sehen. Das polnische Bier auf der Fahrerseite im Halter, fand der Polizist nicht witzig. Wir zeigten auf die 0 Prozent, dauerte bisserl, dann verstand er. Ich hatte schwanger total Lust auf alkoholfreies Bier beim Fahren, tja.

Korruption begegnete uns nicht. Die Polizisten halfen uns bei Fragen gern, das war völlig entspannt.

 

Hier am Baikalsee ist das Klima frischer. Zum Baden sogar zu kalt.

 

Mit 1624 m ist es der tiefste See der Erde und mit seinen 25 Millionen Jahren der älteste Süßwassersee. Ein Fünftel der Süßwasserreserven der Welt sind darin und sein Wasserinhalt soll den der Ostsee übertreffen. Er ist 636 km lang, und nur so breit, dass man das andere Ufer sehen kann.

 

Ruhiger und ohne dauerndes Rauschen der transsibirischen Eisenbahn soll unser Baikalseeplätzchen sein.

Machen wir uns auf die Suche und fahren dafür ein Stück weiter.

Auf dem Weg um die südliche Seespitze müssen Tanken, Einkauf, Internet und Gastanken erledigt werden. Dörfer werden kärger und kärger, Infrastruktur weniger, Dorfbrunnen gibt es, Tankstellen auch. Bis wir alles Nötige eingekauft haben, werden 4 kleine Läden besucht. Nur Gas finden erweist sich als Problem. Bisher gab es ständig Gastankstellen. Aber jetzt?

Wir fahren und fahren weiter den See entlang, die geplante Strecke vorwärts – wieder mal nicht die angenehmste Piste, eigentlich wollten wir nur kurz fahren. Spät abends haben wir eine Gastankstelle gefunden, die hat geschlossen, wir übernachten an einer nahen Tankstelle.

Am nächsten Morgen zeigt das Schild an der Gastankstelle : „Gaza Hem“ (Kein Gas)

Mit der Info, nächste Gastankstelle in Irkutsk oder Ulan Ude.

Ulan Ude liegt nur 150 km weiter. Na denn.

Gas zum Kochen, Heizen, für Kühlschrank und Warmwasser brauchen wir die paar Tage am See. Also 150 km zum Gas, 150 km wieder zurück. Paar Tage später wieder in die Stadt. Ist so.

Zumindest ist die vorbei ziehende Landschaft schön, Bergregion mit Seen und Flüssen, buddhistische Gebetstücher hängen in den Bäumen. Die Menschen sehen hier nun eindeutig asiatisch aus.

 

Abends sind wir zurück am Seeufer in einem Wäldchen. Noah hat den Sandstrand für sich.

Menschengruppen besuchen immer wieder unser Wäldchen und suchen sich Bäume für Rituale mit Feuer und Wodka. Dann binden sie Bänder um die Bäume. Wir stehen also in einem schön buntgeschmückten Wald.

Vielleicht ein heiliger Ort?

 

Ein Tag Sonne mit Wäsche waschen, mit dem Quellwasser am Strand spielen, Hängematte.

Ein Tag mit Sturm, Wellengang, Kühle, Heizung und relaxen im Bus.

Unser Matschpfützen liebender Noah spielt trotz des Wetters gut eingepackt an der Quelle am Strand.

Der letzte Schritt beginnt: Ulan Ude - jetzt aber richtig!

Die letzte Stadt in Russland vor der Grenze.

 

Visa besorgen.

Ins Hotel einbuchen, als registrierte vorgeschriebene Übernachtung, die stattfinden muss beim Aufenthalt in Russland. Innerhalb einer Woche müssen wir in der Mongolei sein. Hoffentlich klappt alles weiter wie am Schnürchen.

 

Auf dem bewachten Parkplatz eines 4Sterne Touristen Hotels mitten in der City mieten wir uns ein.

In diesem Hotel soll ein Konsulat der Mongolei sein. Freundlicherweise registrieren uns die Mädels der Rezeption im Hotel, obwohl wir uns nur auf dem Parkplatz einmieten. Konsulat gibt`s hier aber nicht.

 

Sie schicken uns zur nahen mongolischen Botschaft. Da laufen wir hin, sie öffnet in einer viertel Stunde. Von 17 Uhr bis 18 Uhr. Was für komische Zeiten, nur dreimal die Woche, morgens lange, abends kurz. Nach Anstehen und Verständigungsschwierigkeiten - „No visa for you!“ „Wie bitte?“ - hilft uns ein indisch-russisches Paar: Morgens sollen wir den Antrag aufs Visum stellen, abends abholen. Heute Mittwoch – Wir müssen bis Freitag warten. Unser Visum reicht bis Montag. Die Grenze 200 km entfernt. Wird knapp.

Fragen wir lieber die ansässigen Reisebüros im Hotel, ob sie das für uns erledigen können. Wir vertrauen uns zwei älteren Damen an. 20 Euro mehr pro Visum, wir haben weniger Stress und es klappt wohl sicher. Sie versprechen uns, am Freitag um 18 Uhr die fertigen Reisepässe abholen zu können.

 

Wir entspannen uns. Zwei Tage Pause. Ruhe vor einem neuen Abenteuer.

 

Citywanderung.

Urig und ganz simpel mongolisch essen in einem Einheimischenbistro.

Topmodern ins Teehaus und zu Sushi und Pizza (Pizza logisch mit dem typisch russischen Gewürz, das in jedem Essen zu finden ist - ob man will oder nicht: Dill).

Die Stadt wimmelt von Brautpaaren, Hupkonzerten, Konfetti auf Gehsteigen, geschmückten Fahrzeugen, hübsch dressierten Gästen….

Besuch einer typisch russischen Markthalle.

 

Ich möchte mir im Hotel eine Massage organisieren. Der lange Flur in dem Stockwerk, wo ich den Masseur finden soll, sieht duster, schäbig und nicht belebt aus. Am nächsten Tag ein neuer Versuch in dem Flur. Ich bleibe still stehen und lausche. Höre ich etwas hinter einer Tür? Jemand kommt in den Flur. Sieht nicht nach Masseur aus. Ich frage. „Diese Tür da!“, zeigt er drauf. Ich klopfe. Ja, Schritte kommen auf die Tür zu. Ein Mann in passender Arbeitskleidung kommt heraus, im Hintergrund ein Patient auf der Liege. Er fragt „Problem?“ „Back.“, antworte ich. Mit knapper Gestik fordert er mich auf, gerade hinzustellen. Er tastet meine Wirbelsäule ab und drückt dabei fester auf schmerzlichen Stellen. „Here. Here. Here.“ Jipp, sofort erkannt. In einer halben Stunde soll ich wieder kommen. Der hat Power und Erkennungsvermögen. Nach einer kraftvollen, effektiven Behandlung bin ich vollkommen überwältigt von so viel Können. Genau das Richtige für mich.

 

Es ist Freitag, 18 Uhr. Simon ist mit unseren Pässen verabredet.

 

Die alten Damen händigen sie ihm samt mongolischer Visa aus.

Yeah! Geschafft!

 

Die Nacht bleiben wir noch auf dem Parkplatz.

 

Dann Abfahrt aus der Stadt.

An einem japanischen Restaurant vorbei. „Simon, ich will da essen gehen!“

Vor der Mongolei will ich nochmal richtig ins Zeug hauen, wer weiß wie es in der Mongolei wird für eine schwangere Vegetarierin.

Das Restaurant ist der Hammer! Nicht nur die Auswahl und die Schmackhaftigkeit, die Kellnerin steht uns im Pavillion dauernd zur Verfügung und passt auf, dass wir ja Besteck, Teller und Tassen schön geordnet auf dem Tisch lassen, sonst kommt sie zaghaft freundlich und rückt es wieder zurecht. Noahs Baikalrobbe Hugo bekommt auch eine Schüssel mit Wasser vorgesetzt. Japan ist hier nicht fern, das merken wir. Im Restaurant hat sich eine japanische Kindergeburtstagsgruppe eingemietet samt Eltern und Zauberer. Sie fragen Noah sofort, ob er auch bei den Spielen mitmachen möchte und wenig später stehen er und Simon in einer riesigen Seifenblase drin. Als wir wieder am Tisch sitzen und futtern, kommen lachend außer Puste zwei Jeep-Weltreisende daher. „Wir waren joggen und sahen euren Bus vor dem Restaurant! Wir sind aus Dänemark und Italien und wollten euch unbedingt suchen.“ Sie freuen sich offensichtlich uns zu treffen, erzählen voll Enthusiasmus von ihrer Weltreise, besonders Japan, wir tauschen uns um Geburtsortgedanken aus. Diese Offenheit und Lebensfreude strahlen Langzeitreisende oft aus. Wir sind auch so und lieben diese Begegnungen, weil man eben Erfahrungen und Empfindungen teilen kann.

 

Dem Restaurantbesuch folgt der geplante Megaeinkauf für die Mongoleireise bis wir in der Hauptstadt Ulan Batar sind. Wer weiß, wann wir in der Mongolei das nächste Mal einkaufen können. Für die Tour ins Landesinnere haben wir uns vor einem Ulan Batar- Besuch entschieden. Also müssen wir drei Wochen mit Nahrungsmittelvorrat hinkommen.

Natürlich hoffen wir, dass unser Einkauf die Grenze übersteht. In Russland stand damals ein Schild „Keine frischen tierischen Produkte“ über die Grenze mitnehmen, aber niemand hat den Kühlschrank beachtet.

Gen Süden verändert sich die Landschaft, wird hügeliger und steppenartiger.

 

Mücken sind immer noch Dauerbegleiter. Ab der Dämmerung bleibt der Bus geschlossen, die Männer sprühen sich gelegentlich ein, ich schwanger darf nur Zedan nehmen - das beruhigt mich wohl eher, als dass es effektiv gegen sibirische Mücken hilft, und ich bilde mir zumindest ein, dass es die fliegende Meute etwas abhält.

 

Wir nächtigen an der Strecke und finden in der Nähe an verschiedenen Orten halbverweste Tierskelette, Knochen verstreut rumliegen. Ungewohnt, ich bin nicht so angetan wie die Männer. Warum liegen hier so viele rum? Was ist das für ein Platz? Vielleicht ist das auch ganz normal.

Ok, alles verändert sich, ich muss einfach offen für Neues sein, und mit unserer Fahrt Richtung Süden scheinen wir die gewohnte Flora, Fauna und vieles mehr zu verlassen.

 

Voll Militär und Übungsplätzen zeigt sich der russische Grenzort. Noah wird geweckt, hier gibt es Kriegsfahrzeuge aller Art anzuschauen. Wir haben uns auch noch mitten rein verfahren anstatt die Umgehungsstraße direkt zur Grenze zu nehmen. Interessant, aber unauffällig sein ist wohl vorteilhaft, die Kamera bleibt an solchen Orten eh unangetastet – diese Regel in Russland beachten wir streng.

 

Einige Kilometer vor dem Grenzübergang werden wir dann doch das zweite Mal von der Polizei angehalten – Passkontrolle.

Aber alles gut. Weiterfahrt.

Grenze Russland - Mongolei

 

Am frühen Nachmittag erreichen wir die Grenze. Vor uns werden die Einfuhrspuren von Fahrzeugen blockiert, deren Fahrer sehr entspannt rumstehen. Der Zaun weiter hinten ist sowieso nicht geöffnet.

Wir warten und beobachten.

Die Frau vor uns sortiert das Hintere ihres Kleinlasters.

Eine andere zieht sich vor allen Leuten um… Nein, sie stopft sich massenweise Zigaretten in die Unterwäsche!

Es ist wie fernsehen.

Irgendwann kommt ein Auto von hinten gefahren, drängelt sich vor, passt gerade zwischen den anderen durch und fährt vor zum Zaun. Zeigt Papiere, Zaun auf.

Ah, so funktioniert das! Von wegen warten müssen.

 

Russland dauert 45 Minuten.

Noah versucht, die Beamten mit deutschen Kleingeldmünzen seiner Schatzkiste zu bestechen – der Polizist ist ganz

interessiert. Wir Eltern kriegen nicht alles mit, was unser Süßer tut. Er hält dem Polizisten aus dem Seitenfenster einfach seine Münzensammlung hin.

Weitere Zäune und Verfahrungen später gelangen wir an die mongolische Grenzseite.

 

Eine hübsche junge Frau mit fröhlichem Lachen ruft uns voller Energie „Welcome to Mongolia!“ zu.

Toller Empfang!!

 

Ein englischsprachiger Beamter wird uns zugeteilt, der Simon bei allen Gängen auf Schritt und Tritt begleitet. Alle sind superfreundlich. 1000 Mnt für die Fahrzeugzulassung, 50 russische Rubli tun’s auch - ein Euro ist das. Simon erledigt Papiere im Grenzgebäude.

Noah und ich bleiben beim Bus und lassen die Beamten hinein. Die sind weniger am Inhalt interessiert, als an Simons handgefertigtem Mobiliar. Zum Übersetzen ihrer Fragen bezüglich der Mobiliarfertigung holen sie einfach andere Grenzgänger aus ihren Autos, die Englisch sprechen können. Der Holzofen in unserem Nomadenheim auf Rädern ist für Mongolen besonders spannend.


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