Unser Reisegefühl ändert sich.
Nun sind wir so richtig unterwegs, mitten drin im Neuen.
Ich bin etwas aufgeregt, als es in Österreich heißt: Los, auf nach Ungarn!
Dieser Schritt bedeutet, ab jetzt Menschen zu treffen, deren Sprache ich nicht verstehe, mich in Supermärkten neu orientieren, Geldrechnerei auf Forint, erkunden wie es sich in Ungarn mit dem Bus „wild“ nächtigen lässt… Der erste kleine Schritt zur großen Tour. Mit einem großen letzten Einkauf in Österreich ist unser Vorratsschrank gefüllt. Genug Gesundfutter wie Dinkelmilch und Reiswaffeln, Müsli und Vollkornmehl ist an Bord.
Balaton - Plattensee ...
Ziel ist die Stadt Veszprem nördlich des Plattensees. Da waren wir schon öfter auf Zahnarztvisite. So machen das die Italiener. Simon bekommt drei Termine für den nächsten Tag.
Am Plattensee ist`s herrlich! Warm, zwar etwas schwül aber (noch) kein Gewitter oder starker Regen in der Nähe. Noah freut sich total, als er das Wasser sieht und ist sofort mittendrin (samt Kleidung natürlich), wild und laut und begeistert wie er ist, spritzend, spielend, aufgedreht, singend, erzählend,…
Im Fidibus richte ich ein Restepicknick: Bratkartoffeln- Falafel- Käse- Oliven-Brot-Tomaten-Würstchen, alles ab in die Tasche. Wir vertilgen es auf Rasen unter einem großen Weidenbaum, während die Sonne untergeht und zauberhaftes Licht wirft. Zu Noahs Freude gesellen sich fünf Enten zu uns, die bestimmt die Hälfte unseres Brotes von ihrem neuen Freund bekommen.
Direkt hinter dem Schilf finden wir einen schönen Stellplatz am Holzspielplatz. Zum Glück ist die Hauptsaison gerade vorüber, angenehme Fülle der Strände. Buden, Cafes und Marktstände lassen hohes Touristenaufkommen erahnen. Um die
„Offseason“ wird sich wohl keiner beschweren, dass wir auf einem normalen Parkplatz statt auf einem Campingplatz stehen.
Den nächsten Tag verbringen wir neben der Zahnklinik. Simon erhält neue Füllungen, ein Zahn wird gezogen und
eine Wurzelbehandlung gemacht. Noah spielt im Bus. Dann ziehen wir auf der Suche nach einem Supermarkt durch die Straßen. Die Häuser und die Atmosphäre in den Straßen erinnern mich an Frankreich. Vom kleinen Einkauf für 2,50 Euro bin ich ganz angetan.
Wir bleiben vorerst am Balaton. Der größte Binnensee Mitteleuropas ist bekannt für die geringe Wassertiefe. Wir
haben Glück mit dem Wetter, es ist warm bis heiß. Der ganze See ist touristisch, aber es gibt auch nicht zugebaute Flecken, wo man keinen Eintritt zahlen muss, wo es ruhiger und grüner ist. Das wunderbarste ist: Der See ist wirklich ganz platt! Wir laufen ewig bis das Wasser über die Knie kommt, es kommt uns vor, als würden wir fast mittendrin im See stehen. Für Noah natürlich spitze.
Wasser & Sand & Kind – Liebe.
Treckerpiste oder Schloss, er quatscht ununterbrochen vor sich hin, was er baut. Beim Spaziergang in der weiten, flachen Wasserfläche sehen wir einen riesigen Fisch neben uns im Wasser, der länger und dicker als Noah ist – aber nicht mehr lebendig. Wir verfolgen eine kleine Wasserschlange, beobachten wie sie einen Fisch fängt. Noah startet erste ausdauernde Schwimmversuche, idealer Ort.
Unser 4 jähriger lernt ständig Kinder kennen. Ihm ist es egal, dass sie meist kein Deutsch sprechen oder verstehen. Im Spiel mit ihnen erzählt er einfach alles in seiner Sprache. Die Kinder hören auch ganz interessiert zu. Ein kleines Mädchen, das gerade sprechen lernt - ungarisch, sagt nun eben „Eimer“ zu Eimer. Einer Großmutter auf dem Spielplatz erzählt Noah von uns und sich. Sie versteht zwar nichts von dem, aber ihre liebevolle Mimik und die begeisterten bestätigenden Ruflaute von ihr deuten nichts anderes als die deutschen.
Wir Eltern haben uns lange Gedanken gemacht, wie und wann Noah das endlich mit dem „sch“ aussprechen hinkriegt und versucht, es ihm bei zu bringen. Hat nicht geklappt oder Noah wollte nicht, wie er oft keine Lust auf „Lernen und Üben sollen“ hat. Thema nach hinten geschoben und vergessen. Eines Tages fällt uns auf, dass er „sch“ ganz selbstverständlich spricht. Als wir ihn darauf ansprechen, redet er stolz nur noch “sch“- Wörter.
Durch Ungarn ...
Wir sind auf den Weg nach Rumänien.
Die Straßen werden kaum erwähnenswert holpriger.
Halt am Krishna-Dorf. Megaheiß in der Steppe. Krishna-Gläubige leben hier indische Kultur. Tempel, heilige Kühe,
angemalter und geschmückter Kuhstall, leckeres vegetarisch-indisches Essen, eigene Produkte, sogar selbsthergestellte Xylitbonbons kann man erwerben.
An den Spielplätzen des Landes finden wir unsere Stellplätze. Mitten in der Kleinstadt Dombovar unter Bäumen findet Noah Kinder auf dem Spielplatz zum Spielen, während Simon das Abendessen kocht. Unser „Zaunnachbar“, neben dem wir unseren Bus parkiert haben, schenkt uns mit lachendem Gesicht eine Tüte voll Äpfel aus seinem obstreichen Garten.
Nachts lauschen wir einem Tierkonzert von Hunden und Hähnen, Chormitglieder scheint es in jedem Garten der Wohngegend zu geben.
In Megahitze durchqueren wir die trockene Gegend, in der die zotteligen Zackelschafe beheimatet sind. Oder waren es die zappeligen Zottelschafe? Oder die zuckenden Zappelschafe? Während Simon und ich uns schlapplachen, weiß Noah die ganze Zeit den richtigen Namen und besteht darauf, findet es gar nicht gut, dass seine Eltern so einen Quatsch mit den Namen machen.
Weit fahren, wie wir es vorhatten, tun wir doch nicht. Die Donau liegt dazwischen, die wir überqueren. Mitten im heiß-staubigen Ungarn sieht das verlockend aus: Kleine Strände am baumumsäumten Fluss.
Warum nicht? Wir sind spontan, flexibel, frei.
Mit unserem FidiBus schaffen wir es durch die Waldenge nicht direkt zu diesen Stränden. Alternativ finden
wir einen schönen Platz am Fluss im Wäldchen.
Abends kommen Fischer. Kein Erfolg mit der selbstgebastelten Ast-Angel. Trotzdem gibt`s Fisch, geschenkt.
Nachts folgt ein Konzert anderer Art: Ungarische Wildnis - röhrende Hirschkühe (ganz schön laut) mit brausenden Schiffe direkt neben uns. Tagsüber winken wir den Frachtern und Kreuzfahrtschiffen zu.
Die Donau fließt von Süddeutschland, durch Ulm, an Deggendorf beim Bayerwald vorbei, über Wien und Österreich, Ungarn bis ins Schwarze Meer. Flaschenpost ist abgeschickt, mal gucken, ob sie bei einem netten Menschen landet.
Stimmung ...
Das Reisen gefällt uns. Unser Element.
Wir tun genau das, was wir immer tun wollten: Länder und Leute kennen lernen – „Planet Earth Expedition“, wie Claudia und Klaus es in ihrem Buch „Abgefahren“ nennen.
Wir haben Zeit gemeinsam zu dritt.
Das ist das größte Geschenk: Zeit.
Wir reisen langsam.
Wir sind Teil des Lebens in uns vorher fremden Welten und fühlen uns eins damit.
Trotz sehr schöner und spannender Erlebnisse ist die neue Lebensart kein Dauerurlaub.
Es ist unser neuer Alltag.
In diesem Alltag ist Rhythmus wichtig - vor allem mit Kind.
Die gewohnte und von außen durch Arbeit, Kiga etc. vorgegebene Tagesablaufroutine fehlt.
Für uns ist jetzt jeder Tag neu zu organisieren (Fahrstrecke oder Tagesplan, Erledigungen, Platz suchen). Das ist fordernd und bedeutet Verantwortung.
Wir brauchen genug ruhige Tage zwischendrin, an denen wir kaum Neues aufnehmen und wo keine Veränderung
stattfindet.
Manchmal erwischen wir uns auch: „Wenn wir später Pauschalurlaub oder Kreuzfahrt...“. Haha. Nee, das ist nicht
unsers! Noch nicht? ;-) Unsere Reiseart passt zu uns.
Es bleibt spannend, wie lange und wohin diese Reise uns führen wird.
Fleißig werden weiter die Hürden geglättet, die zum Beginn des Reiselebens dazu gehören. Leichtigkeit kommt.
Das Gefühl, frei unterwegs zu sein und die Welt zu erkunden, ist unbeschreiblich schön.
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